Jazz. Und Frauen.

Martin SchüllerHeute mal was über Jazz. Und über Frauen. Und über Menschen, die sich darüber wundern, dass das eine zum anderen passt. Von jemandem, den wiederum genau das wundert. Von mir eben.

»Women in Jazz« lautete das Motto der diesjährigen Hildener Jazztage, und ich finde es ziemlich bescheuert. Die Vorstellung, jemand veranstalte ein Festival »Die Frau in der klassischen Musik« (oder vielleicht »Die Frau im deutschen Schlager«), erscheint einigermaßen absurd. Warum? Weil Frauen hier ganz selbstverständlich weder Malus noch Bonus erhalten. Gleiche Aufgabe für alle: Da ist das Stück, spielt das anständig, mindestens.

Das in Hilden maßgebende Tageblatt, einer der Sponsoren der Veranstaltung, hat zum Festival ein Extrablatt herausgegeben. 16 Seiten stark, enthält es Features der auftretenden ausschließlich weiblichen Bandleader, unter Überschriften wie »Der Drummer ist ’ne Frau«. Kein Witz. »Der Drummer ist ’ne Frau«. Das muss man sich mal vorstellen. Meike Goosmann, so eine Bildunterschrift, »lässt sich von Menschen, die ihr nahe stehen, inspirieren«. Mann, echt weiblich. Und Tineke Postma, wie man einem fett hervorgehobenen Satz entnehmen kann, (haltet euch fest:) »schreibt ihre eigenen Stücke«. Eine Frau!!! Aber es gibt auch Trost für den von so viel provozierender Weiblichkeit verstörten Leser: Rigmor Gustafsson spielt auch.

Und letztlich gilt auch im Jazz die alte Fußballerweisheit: Maßgeblich is‘ auf‘m Platz. Oder eben auf der Bühne.

Rigmor Gustafsson trägt eine leuchtend rote Hose, sieht bezaubernd aus und singt, nun ja, wie Rigmor Gustafsson. Das Piano perlt, das Schlagzeug raschelt, und einen Bassisten hat sie auch. Der Besuch des Foyers und die Nachfrage am Getränkestand steigt während des Konzerts kontinuierlich (aus der Nähe persönlich beobachtet), der Applaus ist höflich, eine Zugabe wird erbeten und dann kommt Terri Lyne Carrington.

Erst mal weiß der Mixer nicht, was er mit jemand anstellen soll, der auf dem Schlagzeug tatsächlich trommelt (statt zu versuchen, nicht zu stören), und dann kommen da wirklich herbe Geräusche aus dem Keyboard, und das Arrangement von »Giant Steps« ist echt ziemlich anders.

Und das vielköpfige, überwiegend ältere Publikum, das für den Abend 30 Euronen gelatzt hat? Erschrickt es? Wenn, dann nur kurz. Es ist begeistert. Fühlt, was da abgeht: Richtiger Jazz. Mit richtig Power. Der Abend ist gerettet.

Ach so, Terri Lyne Carrington ist übrigens eine Frau. Geri Allen an den Tasten auch. Und Saxofonistin Tineke Postma ist die, die auch eigene Stücke schreibt. Der Bassist war ein Mann.

Und das alles war allen total egal.

Auf der Rückseite des Extrablatts wurde übrigens für Einbauküchen geworben. Immerhin mit dem Foto eines Mannes am Herd. Ach ja, und die Autorin des Blattes: die war ’ne Frau.

Veröffentlicht am unter Blog thing

Deutscher Jazzpreis 2025

2 Kommentare zu „Jazz. Und Frauen.“

  1. Wunderbar auf den Punkt gebracht!!!

  2. Ich weiß, ich bin spät dran, aber: Danke! Das spricht mir aus der Seele. Und dann auch noch von EINEM MANN! ;-)

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