Ein Farbenmeer

Global Cuisine mit Ed Motta, Teil 2

Erinnern Sie sich noch an den ersten Teil dieser brasilianischen Esstrinkkochparty mit Ed, Sabine und unserem Chef-Gourmet Dieter Ilg? Oder wabern nur noch unscharfe Fragmente von Bildern des Zuckerhuts vor Ihrem inneren Auge? Ein Caipirinha oder ein Caipiroska würden diesen Nebel unter Umständen nicht lichten. Eher ein von Mann Motta geliebter Riesling, der mit seiner Kühle, Mineralität und säurebetonten Strikt- wie Verspieltheit das dünne Eis, auf dem die Welt tanzt, nicht gleich brechen lässt.

Ed Motta und alle weiteren KöchinnenWir lassen uns auf den Stühlen nieder und fühlen Wohlumsorgtheit. Sabine erscheint mit den Oktopuszigarren (Pulpo-Rollen), dem Garnelen-Palmherzen-Cocktail und der Salsa Criolla. Während der Vereinnahmung dieser Speise wandert mein Blick über die Tischgarnitur, speziell die verteilten Blütenblätter. Der Mann, auf dessen Sportschuhen „Samba“ steht – reiner Zufall … – prostet mir zu: „Zum Wohl!“

Aus der Küche schwirren Stimmen durch den Flur an unsere Ohren, die auf das baldige Heranziehen der ersten Warmspeise hinweisen. Und wir werden weder getäuscht noch enttäuscht. Asparagi werden aufgetragen. Die Frühlingserdfruchtstangen. Lustvolles Entwässern im kulinarischen Zirkel. Grün, weiß und wild. Dazu geräucherten und gekochten Schinken. Nahezu symbadisch.

Zur Sprache kommt Codfish, Bacalhao. Getrockneter Kabeljau. Einst ein Brot- und Butterfisch, heutzutage eine Delikatesse und brutalst dezimiert. Das schmackhafteste Stockfischpüree aus getrocknetem Kabeljau bekam ich einst am Bodensee vorgesetzt, vom Freund eines Freundes, der gleichzeitig einen bemerkenswerten Brombeeressig zustande bringt. Und als ich das letzte Mal musikalisch mit Rebekka Bakken in San Sebastian weilte – das Baskenland wird als höchstentwickelte Salzkabeljauküche der Welt bezeichnet –, war das einzige Souvenir, das ich mit nach Hause nahm, ein kleines Paket Bacal(h)ao. Darin ein edles Stück Lomo, vom Mittelfiletstück aus der Rückenregion dicht hinter dem Kopf eines kapitaleren Exemplars.

Text
Dieter Ilg
Foto
Anja Grabert

Veröffentlicht am unter 101, Jazz cooks

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