Bregenzerwald
Weisen und Wiesen, Teil 2
Hacken, Schneiden, Anrichten mit Alfred Vogel, David Helbock und Peter Madsen in Egg und Dornbirn. Im Bregenzerwald kommt man in Sachen Natur, Kultur und Gourmandise gleichermaßen auf seine Kosten – wie unser Chef-Gourmet im zweiten Teil seines Reiseberichtes bestätigt. Ihr kulinarisches Happy End findet die Reise beim gemeinsamen Kochen mit Alfred Vogel, David Helbock und Peter Madsen in Helbocks Elternhaus in Dornbirn.
Kommt Zeit, kommt Rat. Neuer Tag, neues Glück. Nach dem Frühstück im Hotel Post (www.hotelpostbezau.com), meinem Quartier in diesen Bergwaldtagen, folgen wir einem Rat Alfreds und treten bei unserer Reise über Dornbirn zum Kochtreff an den Alpenrhein nahe Feldkirch beizeiten und tagsüber in eine glückliche Melkwelt ein.
Meister Metzler ist der Regent von im gleichen Stall untergebrachten Kühen und Ziegen. Ein formidables Tierhaus, nach neuesten EU-Regeln erbaut. „Der Bregenzerwald ist silagefrei“, erklärt der moderne Milchverwerter vor dem Herrn. Das ist gewissermaßen ein Standortvorteil, wie es die gemeine und ach so gemeine Wirtschaft modischerweise nennen würde. Wenn das ursprünglich Vernünftige und Normale plötzlich zum Ausnahmezustand wird, haben wir den Beweis, dass die Landwirtschaftsfunktionäre bisher größtenteils versagt haben; aber im Dunstwasser von Lobbyvertretern der industriellen Landwirtschaft gibt es schon mal keine Weitsicht durch den Nebel. Symbiose statt Syngenta wäre ein feiner Zug.
Ein ebenso durchdachter Zug ist die Weiterverwendung der Molke, denn nur ein Zehntel der gemolkenen Milch wird in der Verarbeitung zu Käse. 90 Prozent Molke wollen genutzt sein. Andernorts sinnvoll auch den Schweinen zur Labsal angedient, ist bei Ingo und Melitta Metzler nebst Familie und ganzem „Hofteam“ die Kosmetik zu einem soliden Standbein gewachsen. Von der Feuchtigkeitsmaske zum Katzenshampoo, von der Beincreme mit Rosskastanie zum Molkebadpulver mit Fichtennadelöl, von der Ziegenmilchseife mit Gänseblümchen bis zum Molkegetränk für anämische Mountainbike-Kraxler, von der Süßmolkensuppe mit Kräutern und Gemüse bis zur Wälderschokolade aus Molke in Herzform. Eisenhart, mir wird ganz schwindelig … Hinzu kommen eigener Heilpflanzenanbau und natürlich die eigene Sennschule. Nicht nur Touristen wollen beschäftigt sein.
Apropos Käse. Dessen Liebhaber kommen im Bregenzerwald mehr als auf ihre Kosten, was jede Badezimmerwaage bezeugen würde. So ist der Bauernhof Metzler auch zu begreifen: Jedes Familienmitglied wächst hier in seine Aufgabe hinein und übernimmt Verantwortung. Verantwortung bindet. Wie Eiweißmoleküle im Käse? Ich kann nicht verhehlen, dem „Edelziege Camembert“ aus 100 Prozent pasteurisierter Ziegenheumilch zu verfallen. Eine mir angenehme Champignonnote wirkt reich und intensiv wie lang anhaltend in meinem Mundraum. Desgleichen die „Wälder Edelziege“ mit der essbaren Pflanzenasche. Ich assoziiere Pfannkuchengeschmack (klingt komisch, gell?), Salzigkeit wie bei Feta, gleichfalls mit langem Nachhall im gesamten Pipettenbezirk. Hautnah an der Natur, ein Vorzeigebetrieb. Sich offenbarender Innovationsgeist. Wertkonservative Moderne. Ganz mein Geschmack (www.molkereiprodukte.com).
Und weiter geht die Reise den Berg hinunter, durch kurvenreiches Terrain ins angekündigte Dornbirn. Die Ohren klingeln, und Schluckreize verhindern das „Zufallen“ der Gehörgänge. Gehör und einen gewichtigen Platz im Südbodenseeraum will ich Peter Füssl verschaffen – dem Mann, der dem Jazz Aufmerksamkeit erarbeitet, im Bregenzer Land und dessen Einzugsgebiet. Spielboden (www.spielboden.at) heißt das Jagdrevier des Jazzförsters. Sinnenfrohes Couchdasein für mehr als eine ganze Stunde. Verschmitzt schenkt uns der vielbeschäftigte Mann die Wahrheit ein, in Form von heißem Tee oder kühlem Grünen Veltliner und mit geistreichem Gespräch über Fach und Werk unseres Hauses in der Welt des Jazz und der allseits gerne so bezeichneten „jazzverwandten“ Musik.
Heiteren Sinnes treibt uns die Verabredung zum Kochen aus der warmen Stube in die Kälte der Winternacht. Vitamin- D-Mangel allerorten. Mit Sonne im Herzen gelingt es uns, den Fährten des Wildes folgend, zur Grenze zu gelangen – dorthin, wo sich Österreicher und Schweizer gedanklich berühren, ob mit oder ohne Zoll.