Feigen und Cassis à la Céline

Unter einem Dach mit Céline Rudolph

In der Küche wohlgewählte Lebensmittel aus feinsten Feinkostläden, vorausschauend vorbereitet, dazu professionelle Gerätschaften zur fachgerechten Be- und Verarbeitung, im Kopf die französische Kochkunst der französischen Großmutter: Céline Rudolph war für ihr Treffen mit unserem Chefgourmet Dieter Ilg bestens präpariert, um dann im entscheidenden Moment meisterlich improvisieren zu können.

Céline Rudolph bei der Vorbereitung des HuhnsNordamerika ist nicht nur das Land, das durch das Zusammentreffen von europäischen Einwanderern und afrikanischen Sklaven den so genannten Jazz hat entstehen lassen, sondern auch das Land, in dem seit vielen Jahrzehnten schon in einigen Gemeinden der gemeine Laubbläser respektive Laubsauger verboten wurde. Wegen der Lärmentfaltung!

Und trotz der Ausrottung der Ureinwohner Amerikas – primär durch ausgewanderte Europäer – breche ich eine zweite Lanze für die Vereinigten Staaten von Amerika. In den USA gilt für den Steuerbürger primär die Unschuldsvermutung, in Deutschland genau das Gegenteil. Nun, ob BAM (Black -American Music) oder WEAM (White European African Music) – Migranten sind wir doch alle!

Ich stelle mir jetzt französische Schiffe vor, die im 18. Jahrhundert gen New Orleans steuern. Cajun-Küche, Soul-Food aller Immigranten. Und sogleich Schiffe, die auf ihrem Rückweg exotisch anmutende, fremde Früchte und Gewürze zurück aufs europäische Festland transportieren. Wie die europäische Kochkunst inspiriert wurde, wie in Europa eine amerikanische Migrantenerdfrucht namens Kartoffel zum deutschen Synonym schlechthin wurde – und ein Auguste Escoffier die Pommes Dauphine adelte … Auch wenn Céline Rudolphs Großmutter nicht auf den Namen Dauphine hörte, orientiert sich unsere Gastgeberin doch an der ihr ans Herz gelegten französischen Kochkunst.

Céline Rudolphs CassisGetrocknete, selbst eingelegte Feigen in Cassis reihen sich nebeneinander auf. Leicht angetrocknete Valpolicella-Tropfen ähneln meiner lila Hemdfarbe. Ein Farbenspiel mit der aphrodisierenden Frucht aus Tausendundeiner Nacht breitet sich hier mit aller Macht in meinem Blickfeld aus. Unterm Dach lässt sich’s durchaus leben, doch der Dachs bleibt außen vor. Ein dralles Huhn übernimmt die Hauptrolle. Gegart mit wacher Hand. Haushuhn unterm Baldachin. Unter Beistand von Feigen und Cassis. Rot sehen und lächeln. Auch ein Salvador Dalí könnt’s kaum appetitlicher richten. Wie sähe das bei Gerhard Richter aus? Doch ernten wir erst nach dem Richten des Gerichts.

Rote Tulpen allerorten.

Die Küche liegt weit von der Wohnungstür entfernt, doch auch ohne Wanderschuhe erreiche ich die Höhle der Löwin. Hier regiert eher Gemüsezwiebel denn Tulpenzwiebel. Lächelnd schälen wir uns in den sprachlichen Austausch über den Bezug essbarer Handelsware. Céline berichtet sogleich von einem Händler des Vertrauens: Rogacki, www.rogacki.de, Feinkostladen in Charlottenburg (für Gemüsehändler: Schalottenburg …), eine Art Markthalle mit diversen Ständen für Fisch, Fleisch und Begleitendes, „mit Kundschaft von der ondolierten Oma über das Schwulenpärchen bis zum Bauarbeiter“, vernehme ich salopp beschreibend. Madame sucht die Gewürze fürs formidabel ausschauende Huhn, bröselt den getrockneten Thymian hinein in die Bauchhöhle. Partner Rüdiger, seinerseits Gitarrero, salzt und pfeffert ins ausgehöhlte Knochengerüst, während Céline das Huhn dafür neigt (Thema „geneigtes Huhn“). Sodann wird der würzende Husarenritt von Rüdiger mit dem Salzen und Pfeffern der Außenhülle fortgeführt. Zuerst eine Hälfte und als abschließenden Zwischenschritt einen Schuss flüssigen Honig auf selbige Hautpartie drauf. Nun nur noch das Huhn drehen, und die andere Seite wird mit Honig, Salz und Pfeffer ebenso behandelt.

Céline wählt aus unterschiedlichen Cassiszubereitungen aus, die sie tags zuvor herzustellen lustig war. Eine davon mit reduziertem Valpolicella. Wie war der allseits geliebte Satz? „Ich koche viel mit Wein … Gelegentlich gebe ich ihn sogar ins Essen …“

Text
Dieter Ilg
Foto
Anja Grabert

Veröffentlicht am unter 95, Jazz cooks

GESOBAU Jazz&Soul Award 2024

2 Kommentare zu „Feigen und Cassis à la Céline. Unter einem Dach mit Céline Rudolph. Unter einem Dach mit Céline Rudolph“

  1. Hallo liebe Kochmützen,

    danke für den informativen Artikel und die Rezepte.
    Wenn Sie nin schon einige Lieferanten-Links eingebaut haben, dann möchte ich gerne auch wissen, wer denn für die nette „Längsstreifenschürzenträgerin“ die hübsche Schürze produziert hat!

    Mit besten Grüßen!

    • Hallo Peter, Céline hat uns Folgendes mitgeteilt:
      Auf dem Etikett steht „Winkler – depuis 1892″. So heißt die Straßburger Marke auch, wie ich jetzt feststellte: http://www.winkler.fr In der gut sortierten Küchenabteilung von Karstadt gejagt…