Bregenzerwald

Weisen und Wiesen, Teil 1

Ein idyllisches Refugium von Natur und Kultur: Landschaftliche Idylle und Ruhe, moderne, stilprägende Architektur, biologisch arbeitende Vieh- und Käsebauern und eine lebendige und hochkarätige Jazzszene stellen hier keinen Widerspruch dar. Unser Chefgourmet Dieter Ilg hat sich im Bregenzerwald umgeschaut und umgehört. Im ersten Teil schildert er seine Eindrücke von Landschaften und Wirtschaften; im zweiten Teil, der in der kommenden Ausgabe erscheint, wird dann auch gekocht, mit Alfred Vogel, David Helbock und Peter Madsen.

Dieter IlgHm, ist es „Im Märzen der Bauer“ oder „He, ho, spann den Wagen an“? Ist es „Lasst uns all nach Hause gehen“ oder etwa „Guter Mond, du gehst so stille“? Aber nein, jetzt, endlich, kreucht der Titel aus den sprachvereinnahmten Furchen der Zunge: „Alle Vöglein sind schon da!“

Volkslieder im Radio. Aktivraum. Bregenzerwald. Dort findet volkswirtschaftliche Wertschöpfung im Sinne nachhaltiger Landschafts- wie Kulturpflege auch vonseiten und mit der Gastronomie statt.

Doch noch nicht angekommen, duelliert sich das Radio mit den Wageninnengeräuschen, kämpfe ich mit der Sicht bei starkem Schneefall. Den Bodensee hinter mir gelassen, tuckert der Diesel das Bödele hinauf gen Hotel Post in Bezau im Bregenzerwald. Mein erster Eindruck ist das eines familiären, lässigen Wellness-Sanatoriums à la „Wellville“. T. C. Boyles Geschichten hinterlassen einfach ihre Spuren. Davon wegzukommen, ist für mich fast ein Unding. Aber warum auch? Lara Flynn Boyle plays T. C. Boyle. Nicht verkehrt. Richtig ist auch, dass das im Hotel befindliche Haubenlokal von Freitag bis Montag geöffnet ist. Schade, es ist Mittwoch, und ich hätte gerne den Haubentaucher gespielt. Seufzen auf hohem Niveau. Im Kaminzimmer treffe ich mich wenig später mit Gastgeber Alfred Vogel zu einem Espresso. Plausch im Koffeinrausch.

Gasthof Hirschen, SchwarzenbergWälderness statt Wellness? Der prachtvolle Gasthof Hirschen in Schwarzenberg unter der Leitung von DJ Franz Fetz: ein Nachname als Lebensmotto in einer Gegend, in der bereits Eduard Mörike die lärmenden Laute der Zivilisation ganz und gar nicht vermisste. Das Leben ist paradox: Seit mehr als einem halben Jahrhundert versaubeuteln uns Automobile wie Motorräder, Eisenbahn und Flugzeuge oder Laubbläser und Subwoofer – unter Bühnen wie in tiefergelegten Kfz – fast alle Rückzugsstätten der Ruhe. Gesellschaftlicher Kollateralschaden. Gesellschaftliches Ereignis jedoch ist das alljährliche Schubert-Festival um den immer wiederkehrenden, berühmt-berüchtigten Helmut-Kohl-Imitator Thomas Quasthoff. Auf zur Schubertiade – und beide Ohren beim Frühstück aufsperren. Oder abends ein 3-Gänge-Menü einfahren und luftige Ländler, stampfende Polkas und anderes goutieren, bis die Fetzen fliegen: www.waelderness.at – jeder nach seinem Gusto. Beim Plaudern über Hotelgäste und der Vergangenheit des Hotels gibt es eine Buchempfehlung des Hirschenchefs aus erster Hand: „Der Tag ist hell, ich schreibe dir“ von Tanja Langer (www.tanjalanger.de).

GASTHOF HIRSCHEN
kunst.hotel nach waelder.art
Hof 14
A-6867 Schwarzenberg
Fon: +43-5512-2944-0
Fax: +43-5512-2944-20
info@hirschenschwarzenberg.at
www.hirschenschwarzenberg.at

„Kennst du Frau Kaufmann?“, werde ich gefragt. Ein typischer Wälder Name, wie mir scheint. Meine Neugierde ist geweckt.

Gasthof Engel, EggFrau Kaufmann (www.fraukaufmann.at) hat ihre Einrichtung vom Europäischen Landwirtschaftsfonds für den ländlichen Raum fördern lassen, wie ein Schild an der Außenwand des alten Gasthauses in Egg bekundet. Ihre Initiation natürlicher Art erhielt die Unternehmerin allerdings durch die eigene Mutter – so, wie es sich gehört. Im Keller des „Engels“ befindet sich ein kleiner Kaufladen im ehemaligen „Fleischabhängeraum“ des Betriebes. Bei einer der Beschreibungen zu ihren Kochkursen verlautbart die Kochaffineuse, dass der wahre Wert und die Fleischqualität des Tieres nicht an dessen so genannten edlen Stücken zu erkennen sei, sondern vor allem an den mit Fett durchzogenen Teilen. Genau: Fett schmeckt bzw. Fett macht den Geschmack oder im Fett zeigt sich der Gehalt. Zur Verdeutlichung soll ein Schweinefilet mit einer Schweinehaxe „verglichen“ werden.

Text
Dieter Ilg
Foto
Harald Gmeiner

Veröffentlicht am unter 98, Jazz cooks

GESOBAU Jazz&Soul Award 2024