Feigen und Cassis à la Céline

Unter einem Dach mit Céline Rudolph

Céline Rudolph am Herd„Zerkleinert werden Schalotten grob, bis die Längsstreifenschürzenträgerin den Cassis-Essig hob“, murmelt der Autor autistisch in sein Ziegenbärtchen. Jetzt beginnt der erste Streich. Ab mit dem Huhn in den Gartopf mit heißem Bratöl. Und damit die Haut nicht am Behältnis haften bleibt, bitte mit Bedacht rütteln. Nicht an mir, nein, am Topf!

Beim Achteln des ApfelsDie Achtelung eines Apfels unter Mithilfe der Farbe Rot. Dieses Maschinchen ist ein hilfreiches Spielzeug, einem scharfen Messer aus dem Wege zu gehen und jedwede Unaufmerksamkeit nicht mit einem Strahle eigenen Blutes zu bezahlen.

Hand in Hand überkreuzen sich die Zubereitungsvorgänge im Küchentrakt. Püreeliebhaber Rüdiger nimmt ein Handtuch, schüttet das Kartoffelwasser ab und entfernt die Knoblauchhälften aus dem Topf. Céline begutachtet derweilen die Bräunung des Huhns, alle Seiten sollen gleichmäßig rösch leuchten. Karotten, Lorbeer und Schalotten dazu, ein Schuss Rotwein und mit offenem Deckel schmoren lassen.

„Frage: Kennst du die Rebsorte Madeleine Céline?“ – „Die gibt’s echt?“, entgegnet mir Madame Rudolph. Diese Sorte ist in Bulgarien, Tschechien, der Slowakei und in Rumänien zu finden. Sie ist eine Kreuzung zwischen Madeleine Angevine und Malingre Précoce. Die Trauben sind mittelgroß und locker, die Beeren haben einen honig-ähnlichen, süßen Geschmack. „Hm, in Südosteuropa kenne ich mich weintechnisch nicht aus. Toll, was es alles gibt.“ Frohlockt die Namenspatin.

Céline schneidet eine drei Tage eingelegte Feige in kleine Stücke, löscht im blauen Le-Creuset-Bräter zwischendurch immer wieder ab, fügt gemörserten Thymian hinzu und salzt wie pfeffert das Gemüse. Nach 30 Minuten gibt sie eine zusätzliche Feige zum Huhn. Keine Ohrfeige für das Geschöpf, das sich für unsere Nahrungsaufnahme opfert, sondern eine ehrwürdige Verneigung, eine Ehrerbietung durch die edle Frucht.

Zwischendurch ein Aperitif. Kredenzt wird ein Mönchhof/Robert -Eymael „Salve“, 11% und feinherb. Es moselt. Schlotz.

Rüdiger nimmt die Tarte aus dem Ofen und dreht sie unter Aufsicht von Céline ohne große Tropfverluste. Chapeau! Das habe ich schon anders erlebt. 15:07, „der Vogel kommt rein“, und zwar bei „180 bis 200° für 60 Minuten“, vernehme ich aus der Küchenchefins Mund.

Die Hausdame versichert, dass sie selbsthergestellte Vinaigrette immer einsatzbereit im Kühlschrank aufbewahrt – „wenn es des Öfteren einmal schnell gehen muss“. Die Ziegenkäserollenteile verabschieden sich in den Ofen. Der Bräunung des Ziegenkäses zuschauen ist wie Fernsehen. Gleichzeitig erzählt mir Céline, dass sie gerne bei De Maufel (www.de-maufel.com), einem Feinkostladen & Bistro in Charlottenburg, einkaufen geht, z.B. wegen der Pasteten und des Kaffees. Dort führt man „hochwertige Produkte aus Luxemburg und den angrenzenden Regionen“.

Vorzeitig resümieren kann ich schon: Viel Vorplanung, Koordination, Besprechung, Strategie sind hier in den vier Wänden bei der Speisenzubereitung mit im Spiel.

Es ist soweit, der Gongschlag ertönt: Das Huhn muss raus aus dem Ofen, nebst den Gemüsestücken (gesalzene Karotten und Petersilienwurzel). Doch jetzt ist erst einmal die Vorspeise im Visier. Also, Feldsalat mit Salatsauce beträufeln, hernach Pinienkerne kurz und vorsichtig (!) bräunen, auf den Salat drauf und stante pede servieren! „Jetzt kannst du Ziegenkäse auspacken kommen“, ruft Céline Rüdiger zu, „schnell!“ Beide richten die Ziegenkäsestücke auf dem Salatbeet an. Dazu wird gereicht ein Chardonnay von Tiefenbrunner/Turmhof, 2010, 13,5%, aus Südtirol.

Nach dem Wegputzen des ersten Ganges denkt Céline laut nach, ob doch noch mehr Flüssigkeit zum Huhn sollte: „Hm?!?“ Währenddessen mengt sie viel Butter unter die Kartoffeln. Nach und nach noch Milch dazu, salzen – „à la Großmutter“. Ein schönes orange-braunes Huhn lugt aus dem Backofen. Das Geflügel am besten in Alufolie eingewickelt ausruhen lassen. Rüdiger holt das Huhn aus dem Bräter und zerteilt es, Céline checkt Gemüse wie Sauce und schmeckt mit Salz ab. „Ich liebe das Geräusch, wenn Salz in der Mühle gemahlen wird“, meint sie. Klingt der Mahlstein, lockt die Mahlzeit.

„Jetzt improvisiere ich“, feixt die Sängerin und wärmt vier feige Feigen im eigenen Sud. Der Edelstahltopf strahlt Wärme aus. „Warte, ich mach jetzt alle fünf“, flötet es, und Céline singt „ein Glas Feigen in Cassis“ …

„Manchmal koche ich auch ayurvedisch, aber meine großmütterlichen Eindrücke führen mich immer wieder zurück in die französisch inspirierte Kocherei“, konstatiert sie und dreht an einer Cassis-Likörflasche mit feuerrotem Etikett und Verschluss. Die Johannisbeerenbasis lockt verführerisch, und ich nehme kein Feigenblatt vor den Mund. Wir speisen ein köstliches Huhn und sehr gelungenes Gemüse.

Wer wird denn gleich rotsehen? Auf jeden Fall keiner der Runde. In selbiger fließt ein Col de Larole 2010, 13%, Coteaux du Languedoc. Den anschließenden Nachtisch in Form der Tarte begleitet ein süßer Tramin „Roan“ 2008, 11,5%, Gewürztraminer (www.cantinatramin.it)

„Darf’s noch ein Espresso sein?“

Text
Dieter Ilg
Foto
Anja Grabert

Veröffentlicht am unter 95, Jazz cooks

Deutscher Jazzpreis 2024

2 Kommentare zu „Feigen und Cassis à la Céline. Unter einem Dach mit Céline Rudolph. Unter einem Dach mit Céline Rudolph“

  1. Hallo liebe Kochmützen,

    danke für den informativen Artikel und die Rezepte.
    Wenn Sie nin schon einige Lieferanten-Links eingebaut haben, dann möchte ich gerne auch wissen, wer denn für die nette „Längsstreifenschürzenträgerin“ die hübsche Schürze produziert hat!

    Mit besten Grüßen!

    • Hallo Peter, Céline hat uns Folgendes mitgeteilt:
      Auf dem Etikett steht „Winkler – depuis 1892″. So heißt die Straßburger Marke auch, wie ich jetzt feststellte: http://www.winkler.fr In der gut sortierten Küchenabteilung von Karstadt gejagt…