Valentine

Lili LamengEach day is Valentine’s Day. Meint Lorenz Hart. Singt Chet Baker. My Funny Valentine. Spiele ich und denke, wäre nicht schlecht, jeden Tag eine Single-Party.

Der Organisator der Festivität hatte mich gestern als speziellen Valentinsgruß für seine Wir-um-dreißig-Klientel gebucht. Ich komme in den Club, im roten Kleid – das war die Auflage –, und spiele den Song. Ein Spot ist auf mich gerichtet.

Ob alle den Gruß verstanden haben? Vielleicht hätten hundert herzförmige Luftballons mehr Begeisterung als meine Darbietung hervorgerufen.

Oder ein Frank-Sinatra-Double. Das hätten die Singles mit Romantik verbunden. Der Song wäre dann zweitrangig gewesen.

Freundlicher Beifall für mich. Eine Rose vom Auftraggeber. Und weiter läuft die Konserve.

Dabei finde ich den Song anrührend, gerade in der Version von Chet Baker. Nicht von ungefähr wurde das alte Lied durch Chets Interpretation 1952 ein Hit. Covern hat also Tradition, denn schließlich ist der Titel von 1937, ein Song aus dem Musical Babes in Arms.

Eine Blondine bedankt sich bei mir.

Zuerst dachte ich, My Funny Valentine sei einfach ein schöner Lovesong. Stay, little Valentine, stay! / Each day is Valentine’s day.

Mehr als 600 Interpreten, mehr als 1300 Platten, so steht es in der Wikipedia…

Und nun meine wortlose Interpretation für die Singles…

Wenn ich einen Standard spiele, lese ich nach Möglichkeit auch den dazugehörigen Text. Dann kann ich das Lied erzählen. Is your figure less than Greek… okay, man muss also nicht Idealmaße haben, um zu gefallen, das beruhigt, aber: Is your mouth a little weak / When you open it to speak / Are you smart? Bist du klug? Wohl nicht so sehr, aber das macht nichts, darauf kommt es nicht so sehr an: But don’t change your hair for me / Not if you care for me.

Beim Spiel für die Singles habe ich einfach nur an Chets erste Strophe gedacht: Sweet comic Valentine / you make me smile with my heart. Das ist wunderbar gesagt. Die Fragen in den Folgestrophen irritieren mich.

Deshalb fühlte ich mich auch nicht ganz wohl, als ich den Club mit Rose und Saxophon wieder verließ. Hätte ich doch lieber nicht den Text gelesen und mir beim Spielen einfach nur den jungen Chet vorgestellt.

Und dann die eigentliche erste Strophe in der Originalfassung. Manche singen sie, zum Beispiel Ella. Im Musical wird das Lied auch von einer Frau gesungen. Mir kommt die Strophe vor wie ein Zitat aus älterer Literatur, weiß hier jemand mehr darüber?

Behold the way our fine feathered friend / his virtue doth parade – geht es ursprünglich um eine Taube? Thou knowest not, my dim-witted friend / the picture thou hast made – Die auffälligste Eigenschaft des Gegenübers ist also nicht Intelligenz, aber dafür Gutmütigkeit: Thy vacant brow, and thy tousled hair / Conceal thy good intend. / Thou noble upright truthful sincere, / And slightly dopey gent. – Dopey – bekloppt, blöd, benommen, benebelt, sagt Collins German Dictionary. Und das in diesem wunderschönen Song. Gut, dass Chet diese Strophe weggelassen hat.

Veröffentlicht am unter Blog thing

jazzfuel

1 Kommentar zu „Valentine“

  1. Was du die „eigentliche erste Strophe“ nennst, ist der „Verse“, die Ein- und Überleitung in den Song. Offenbar ein ironisches Spiel mit Shakespeare-Sprache und Madrigal-Ton. Vielleicht kapiert man aus dem Zusammenhang der Show, warum. Auch die Amis empfinden diese acht Zeilen als „goofy“.