214: Jazz thing Mixtape auf ByteFM

Nduduzo Makhathini – uNomkhubulwane (Cover)Nduduzo MakhathiniIhr habt die Wahl, auch in musikalischen Belangen. Am heutigen Europawahltag bietet sich in diesem Mixtape der Redaktion von Jazz thing etwa die Wahl zwischen dem finnischen Flötisten Jimi Tenor auf der Suche nach Liebe im Weltall, einem israelischen Saxofonisten, der das Kind in uns vertont, der Unschuld des Pianisten Kenny Barron, einem Trinkopfer an eine Zulu-Göttin des südafrikanischen Pianisten Nduduzo Makhathini und vielem, vielem mehr.

„Is there love in Outer Space?“ fragt gleich zu Beginn Jimi Tenor im Zusammenspiel mit Cold Diamond & Mink auf dem Titelsong des neuen Albums des finnischen Flötisten und Allrounders. Es ist „eine dieser galaktischen Balladen, für die Rare-Soul-Sammler ihre Rente ausgeben“, wie es das Label will. „Painting In Music“ ist Wolf Kampmanns Artikel über den israelischen Saxophonisten Oded Tzur im aktuellen Jazz thing überschrieben. Ein solches musikalisches Porträt von seinem aktuellen ECM-Album „My Prophet“ hören wir mit dem Titel „Child You“, eingespielt mit dem Pianisten Nitai Hershkovits, dem Bassisten Petros Klampanius und Drummer Cyrano Almeida. Neu beim Berliner Label Traumton ist ein Album des Olga Reznichenko Trios. Die im russischen Taganrog geborene Pianistin, die dort zuerst klassischen Klavierunterricht bekam, hat später unter anderem bei Michael Wollny und Richie Beirach an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig studiert. Aus ihrem neuen Album „Rhythm Dissection“ hören wir einen Titel, bei dem Cineasten sofort an seltsame, futuristische Birken-Landschaften und schöne blaue Lederjacke denken: „Solaris“.

Reznichenkos instrumentaler Vorfahre Kenny Barron hat ebenfalls ein neues Album aufgenommen, mit sehr jungen oder zumindest deutlich jüngeren Mitstreitern, nämlich, wie hier bei „Innocence“, Johnathan Blake am Schlagzeug, Kiyoshi Kitagawa am Bass, Steve Nelson am Vibrafon und Immanuel Wilkins am Saxofon. (Für Letzteren hat er möglicherweise neulich aus Köln den Deutschen Jazzpreis mitgenommen, den Barron selbst ja in diesem Jahr auch als „Künstler des Jahres“ gewonnen hat.) An diesem Freitag ist auch ein neues Album des südafrikanischen Pianisten Nduduzo Makhathini erschienen. Der Titel „uNomkhubulwane“ bedeutet laut Google-Translate „Du hast ein Insekt“ auf Zulu. Tatsächlich ist es eine Ode an die gleichnamige Zulu-Göttin und dreht sich um die tragische Geschichte der Unterdrückung in Südafrika, das passenderweise kürzlich erst 30 Jahre freie Wahlen gefeiert hat. Friedrich Nietzsche soll in „Also sprach Zarathustra“ geschrieben haben: „Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können“. Dieses Zitat funktioniert jetzt als Titel für das neue Album von Das Kapital, dem Trio um Daniel Erdmann am Saxofon, Edward Perraud am Schlagzeug und dem Gitarristen Hasse Poulsen. Tatsächlich erinnert der Kapital-Titel „First Light“ musikalisch an das, was Meshell Ndegeocello auf ihrem Album „Bitter“ gemacht hat, weshalb anschließend ein neuer Track der singenden Bassistin von ihrem erst im August erscheinenden, James Baldwin gewidmeten Album ansteht: „Travel“.

Hinter The Brkn Record steckt Multi-Instrumentalist Jake Ferguson, Bassist und Mitbegründer der Heliocentrics, die sehr viele, sehr schöne Projekte, etwa auch mit Mulatu Astatke aufgenommen haben. Jetzt erscheint sozusagen ein Solo Album namens „The Architecture Of Oppression, Part 2“ mit zahlreichen Gästen, etwa dem Spoken-Word-Künstler Antony Joseph, wie hier bei „Skull Tax“. Zum Ausklang noch ein Stück vom selbstbetitelten neuen Album der Gruppe Ernte um Benjamin Weidekamp an Altsaxofon und Klarinette, Uli Kempendorff an Tenorsaxofon und Klarinette, Kaspar von Grünigen am Kontrabass, David Meier am Schlagzeug und Evi Filippou am Vibrafon. „Ernte“ von Ernte ist ein wunderschönes, sehr intensives Album mit Protestliedern aus antifaschistischen, antirassistischen und antiimperialistischen Widerstandsbewegungen des 20. Jahrhunderts aus aller Welt. Das Album beginnt mit José Zeca Afonsos „Venham Mais Cinco“, laut Pressetext „eines der bekanntesten Stücke, des in Portugal als Ikone verehrten Chansonniers“, und ein „verklausulierter Aufruf, sich zu versammeln und sich auf der Straße der Ungerechtigkeit entgegenzustellen.“ Geht wählen, wenn ihr es nicht schon getan habt. All das gibt es am 9. Juni eine Stunde lang ab 12 Uhr Mittags im Jazz thing Mixtape auf ByteFM, mit Götz Bühler am Mikrofon.


Playlist #214
für das Jazz thing Mixtape vom Sonntag, 9.6.2024, 12 – 13 Uhr

Jimi Tenor / Cold Diamond & Mink Is There Love In Outer Space? Is There Love In Outer Space (Timmion/BWSCD)
Oded Tzur Child You My Prophet (ECM Universal)
Olga Reznichenko Trio Solaris Rhythm Dissection (Traumton/Indigo)
Kenny Barron Innocence Beyond This Place (Artwork/Harmonia Mundi)
Nduduzo Makhathini Libations: Omnyama uNomkhubulwane (Blue Note/Universal)
Das Kapital First Light One Must Have Chaos Inside To Give Birth To A Dancing Star (Label Bleu/Broken Silence)
Meshell Ndegeocello Travel No More Water: The Gospel Of James Baldwin (Blue Note/Universal)
Skull Tax / Anthony Joseph Skull Tax The Architecture Of Oppression Part 2 (BBE/The Orchard)
Ernte Venham Mais Cinco Ernte (enja yellowbird/edel)

Weiterführende Links
ByteFM

Text
Götz Bühler

Veröffentlicht am unter Mixtape

GESOBAU Jazz&Soul Award 2024