207: Jazz thing Mixtape auf ByteFM

Tobias Hoffmann „Italy“Tobias Hoffmann „Italy“Was ist das Paradies? Das Wort kommt aus der altiranischen awestischen Sprache und bezeichnet eigentlich nur eine „eingezäunte Fläche“. Nach jüdischer und daraus abgeleitet christlicher und islamischer Vorstellung ist es der Ort, an dem die Menschen zu Anfang ihrer Existenz gelebt haben, bis sie wegen des Sündenfalls verstoßen wurden. Glaubt man Sade – und im übertragenen Sinne also auch Terrace Martin und Alex Isley – hat Paradies mit Liebe zu tun. Also in gewissem Sinn doch wieder die die biblische Definition.

Letztere leben Martin und Ernie Isleys Tochter Alex in ihrem Cover von Sades „Paradise“ aus, das jetzt auf dem Album „I Lost my Heart In Ladera“ auf Sounds Of Crenshaw erschienen ist. Sullivan Fortner, bekannt von seiner Zusammenarbeit mit Cécile McLorin Salvant oder Roy Hargrove, hat ein neues Soloalbum veröffentlicht. „Solo Game“, produziert von und mit Fred Hersch und Jason Moran, präsentiert diesen von vielen als „besten Jazzpianisten seiner Zeit“ bezeichneten Musiker aus New Orleans mit Standards und elektronischen Solo-Experimenten. Eines von Letzteren hören wir in diesem Mixtape mit dem fusionistischen „Cross And Circle“. Miguel Atwood-Ferguson ist ein Geiger, Produzent, Multiinstrumentalist, Arrangeur, Komponist und Musik-Pädagoge. Der Mann aus Los Angeles, der auf über 600 Alben sowie in Filmen und TV-Shows zu hören war und ist, hat gerade erst sein Debütalbum veröffentlicht. Wir hören „Kairos (Kefi)“ von „Les Jardins Mystique, Vol.1“, was man auch wieder als paradiesische Anspielung verstehen könnte.

Die in der Schweiz lebende Alt-und Sopransaxofonistin und Komponistin Sarah Chaksad hat gerade das Album „Together“ ihres Large Ensemble auf ihrem eigenen Label Clap Your Hands veröffentlicht. Mit dabei sind unter anderem Yumi Ito, Hildegunn Øyseth, Julia Hülsmann und Eva Klesse, um nur einige zu nennen, auch auf „Green II“. Der Gitarrist und KLAENG-Macher Tobias Hoffmann hat ein neues Quasi-Duo-Album aufgenommen. Neben Hoffmann selbst an allen möglichen Gitarren, Lapsteel, Banjo, Bass und Keyboards hört man auch seinen Mit-Produzenten Jan Philipp an Schlagzeug, Percussion, Keyboard und diversen Effekten. „Italy“ heißt dieses Album, das einen mit seinen schönen Surf-Blues-Folk-Melodien selbst im tiefsten November in Urlaubsstimmung versetzt; vorgestern erschienen, hier schon im Jazz thing Mixtape mit dem Titel „Folk“.

Unsere aktuelle Titelheldin, die Pianistin Anke Helfrich hat ihr neues Album „We’ll Rise“ der Geschichte der Frauen gewidmet, wenn man so will. Inspiriert von einem längeren Gespräch mit Terri Lyne Carrington über deren Mentorin Geri Allen hat sie recherchiert, gehört und herrlich viel passende Musik entdeckt und geschrieben, die sich jetzt auf diesem neuen Album für enja findet – wir hören das Titelstück. Und noch zwei weitere Pianisten mit neuen Alben: Martin Sasse, auch bekannt als musikalischer Leiter des Clubs King Georg in Köln, nennt seine neueste Produktion „Longing“, also Sehnsucht. Oder doch Verlangen? Im Trio aufgenommen mit Martin Gjakonovski am Bass und Joost van Schaik am Schlagzeug bietet es eine herrlich pianistische Stunde Musik. Der Labelname ist dabei Programm: Jazzjazz. Rhythm’n’Flow heißt das neue Label von Mastering-Engineer Elmar Gillet mit dem früheren Minor-Music-Macher Stephan Meyner, bekannt für die großen Comeback-Produktion der JB Horns Maceo Parker, Pee Wee Ellis und Fred Wesley. Darauf erscheint im Februar das Album „To the Surface“ des Pianisten Lawrence Fields aus St. Louis bzw. New York, aus dem wir jetzt schon das von Fields komponierte „Parachute“ hören.

Ein neues Stück des Downbeat-Blues-Duos Boozoo Bajou präsentiert ihre Fellow-Nürnbergerin Jules auf „Tough Times“, soeben erschienen auf ihrem fünften Studioalbum „Finistére“, ziemlich genau 25 Jahre nach ihrer ersten 12-Inch „Night Over Manaus“, inzwischen auf ihrem eigenen Label Pilotton. Zum Abschluss – und weil es sowieso immer weiter und vor allem vorwärts geht – hören wir noch ein Stück des belgischen Gitarristen Julian Tassin mit seinem intensiv-internationalen Quartett mit Jason Palmer, Dré Pallemaerts und Nicolas Thys, deren Album „Great Expectations“ erst vor kurzem erschienen ist. Live präsentieren sie es übrigens am 8. Dezember im schon erwähnten King Georg in Köln. Im Ausklang verkündet die Berliner Power-Bigband Brigade Futur III noch selbstbewusst „Ich bin die Zukunft, die Zukunft bin ich“. Klingt paradiesisch. All das gibt es am 26. November im Jazz thing Mixtape eine Stunde lang ab 12 Uhr auf ByteFM – mit Götz Bühler am Mikrofon.


Playlist #207
für das Jazz thing Mixtape vom Sonntag, 26.11.2023, 12 – 13 Uhr

Terrace Martin/Alex Isley Paradise I Left My Heart In Ladera (Sounds of Crenshaw/BMG)
Sullivan Fortner Cross And Circle Solo Game (Artwork Records/PIAS/Rough Trade)
Miguel Atwood-Ferguson Kairos (Kefi) Selections From Les Jardins Mystiques Vol.1 (Brainfeeder/Rough Trade)
Sarah Chaksad Large Ensemble Green 2 Together (Clap Your Hands/clapyourhands.ch)
Tobias Hoffmann Folk Italy (KLAENG/klaengrecords.de)
Anke Helfrich Trio We’ll Rise We’ll Rise (enja/edel)
Martin Sasse Trio Longing Longing (Jazzjazz/Broken Silence)
Lawrence Fields Parachute To The Surface (Rhythm’n’Flow/edel)
Boozoo Bajou feat. Jules Tough Times Finistére (Pilotton)
Julien Tassin Quartet Forward Great Expectations (Igloo Records/Broken Silence)
Brigade Futur III Hikikomori Hikikomori (WhyPlayJazz)

Weiterführende Links
ByteFM

Text
Götz Bühler

Veröffentlicht am unter Mixtape

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