Trilok würzt

Crosskulturell kochen mit Trilok Gurtu

Der Wein…„Stracotto“, ruft Trilok. „Es gibt Stracotto.“ Das ist italienisch?! „Es gibt ein Crossover heute“, vernehme ich aus seinem Munde, „Italien meets Indien“. Italienisches, mit indischen Gewürzen versehen. Kein Versehen, sondern Absicht. „Ich habe viele italienische Freunde“, erwähnt unser Tablakünstler. Ich stecke meine Nase in Triloks selbsthergestelltes Masala mit Koreander, Kumin, Chili, Zitrone, Knoblauch, Nelke, Zimt, Oregano, Lorbeerblättern und Salz. Klar, slow food. „Ich liebe das Piemont.“ Für die Schwester von Carlo Petrini, dem Mitgründer der in Italien gegründeten Slowfood-Bewegung, kochte der in Deutschland lebende Perkussionsvirtuose bereits ein klassisches Tandoori Chicken.

Das Lamm…Das Lilarot der Küchenstühle wie Teller passt farblich zu den marinierten Lammfleischbrocken. Grau-schwarz-weiße Kleider kontrastieren. Kontraste als Herausforderung. Tatkräftig unterstützt von Triloks Frau Ute wird bereits eifrig gerührt wie gewerkelt, denn einige Vorarbeiten begannen bereits vor meinem Eintreffen, so dass meine Nachfragen intensiven Charakter einnehmen. Trilok spricht förmlich mit seinen Händen, gestikreiche Bewegungen unterstützen seine Worte. Röstaromen ziehen in mein Riechorgan. Das Fleisch, angesetzt in einer Schmorflüssigkeit mit Tomaten, Nelke, Zimt, Pfeffer, Schalotten und Steinpilzen, gart nun im heißen Sud gen Vollendung.

Der Kartoffelbrei. Eine Hommage an das Wohnland. Eine südamerikanische Wurzel eroberte Germanien. Eine gelungene Integration. Trilok echauffiert sich über die immer noch gärende Missachtung deutscher Jazzmusiker – obwohl sich Trilok nicht als Jazzmusiker bezeichnet – in ihrem eigenen Lande. Unsere gemeinsame Erfahrung fußt auf so simplen Ereignissen, dass es auch mir immer wieder die Sprache verschlägt. Warum erfahre ich mehr Respekt, warum werde ich besser behandelt, schneller bedient etc. pp wenn ich statt der deutschen die englische Sprache in der hiesigen Kommunikation nutze? Au Backe. Immigranten und Jazzmusiker in der gleichen Falle.

Zurück zum Erdapfel. Das Pürree erhält Verfeinerung durch geriebene Muskatnuss, geriebenen Parmesan, geriebenen Ingwer, etwas Weißwein und Trüffelbutter. Wir schwärmen von deutschem Weißwein und seiner exorbitanten Wiedergeburt in den letzten Jahrzehnten. Grandiose Weinbergsarbeit, in die immens viel Wissen, Können und Energie hineingesetzt wurde. Wenn sich nur eine staatliche Stelle – neben all den ehrenamtlich und leidenschaftlichen Veranstaltern, die in diversen Vereinen, Kulturämtern und Organisationen bewundernswertes Engagement zeigen – mit entsprechend finanzieller Ausstattung um die heimische Szene kümmern würde! Hallo (fucking) Exportweltmeister!? Wir brauchen deine Zuwendung. (In Sachen Jazz und Jazzverwandtem sind wir leider Importweltmeister. Der Einheimische hasst sich selbst und seine Nächsten. Einbahnstraße. Jazzahead?) Weg von der Politik ist auch ein politischer Weg …

Hinwendung zum Salat. Da haben wir ihn. Mit Walnüssen, Granatapfelsamen, fein geschnittenem Fenchel wie Staudensellerie, Zitrone, Walnuss – und Olivenöl. Während wir im Wohnzimmer die ersten Gabeln bewegen, bekunde ich meine Vorliebe für indische Küche, insbesondere einem gewürzten Dal mit (Safran-)Reis. Unser vegetarischer Photograph nickt. Trilok sofort: „Wenn ich gewusst hätte, dass du das so magst, hätte ich ein vegetarisches Menü zubereitet und natürlich ein Super-Dal gemacht!“. Wir tauschen unser Dalblut wie einst Winnetou und Old Shatterhand. „Du musst Tamarinde nehmen“, begeistert sich Trilok. Tamarinde wird auch Indische Feige oder Sauerdattel genannt und ist ein klassisches Säuerungsmittel in der indischen Küche, das anstelle von Essig und Zitronensaft verwendet werden kann. Das Fruchtmark harmonisiert gut mit Chili. Okay, dazu nachher mehr.

Text
Dieter Ilg
Foto
Christian Schmid

Veröffentlicht am unter 88, Jazz cooks

Deutscher Jazzpreis 2024