Trilok würzt

Crosskulturell kochen mit Trilok Gurtu

Aus dem Badischen hoch nach Henstedt-Ülzburg, nördlich von Hamburg, wo ein aus Indien stammender Perkussionsmeister die Küche seiner Heimat mit italienisch Inspiriertem kombiniert: Der Besuch unseres Chef-Gourmets Dieter Ilg bei Trilok Gurtu beweist einmal mehr, dass Essen ebenso Brücken zwischen Kulturen zu schlagen vermag wie der Jazz.

Dieter Ilg und Trilok GurkuSo wie die Castor-Behälter mit dem strahlenden Atommüll schon immer oberirdisch im wendländischen Gorleben lagern, so türmt sich der ein oder andere Butterberg in europäischen Kühlhallen. Und jetzt strahlen viele Verbraucher: Darunter dürfte auch eine streichzarte irische sein, die augenscheinlich in deutschen Supermärkten mit europäischer Hilfe billiger angeboten wird als die meines Nachbarn auf dem Bauernhof. Der Käufer spart kurzfristig kleines Geld. Irgendjemand macht hier aber das große Geld. Auf Kosten der anderen, logisch. Nix Neues also. Was ist schon neu?

Salat à la GurkuMan klagt neuerdings überraschenderweise über Korruption innerhalb der FIFA, als sei das nicht schon jahrzehntelang ein Thema bei den Sportverbänden. Man wundert sich über einen Schlichterspruch zu Stuttgart 21 und einen Heiner Geißler als Trojanisches Pferd, während zugleich die schwäbische Metropole als eine der Hochburgen der italienischen Mafia gelten soll. Vetterleswirtschaft und Turbokapitalismus allerorten. Und das ist die kleine Überraschung: Es gibt noch Steigerungen hinsichtlich Dreistigkeit. Aber lassen wir einmal die Butter bei den Fischen und tauchen in die Welt wellenbewegenden, irischen Sommerlichts. Kein Butterfisch in Sicht.

Es ist noch früh im Jahr. Zu zweit im PKW rollen wir gen Norden. Photograph Christian Schmid spricht über sinkende Erlöse in seiner Arbeitswelt, Einsparungen und dergleichen. Es scheint überall das gleiche. Billig produzieren und Mangelhaftes herstellen ersetzt Qualität und Kompetenz, die von Tag zu Tag von immer weniger Menschen überhaupt beurteilt werden kann. Outsourcing und Zwang in die Zeitarbeit stehen wie Hyänen am Wegesrand fast jeden Berufszweiges.

Es ist kalt draußen. Hochzeit für Ärzte und Doktoren. Ob Titeljäger Karl-Theodor zu Guttenberg GEMA-Mitglied ist oder schon von der CSU in die Piratenpartei gewechselt hat? Ob uns Ministerin Aigner gemeinsame Sache mit der Futtermittelindustrie macht und ihren potenziellen Arbeitsplatz in der Gentechnik-Lobby sichern will (siehe „Sicherheitsrisiko Gentechnik“ von Árpád Pusztai und Susan Bardócz)? Es gibt zu viele Entscheider ohne Rückgrat. Lemminge. Wir passieren eine Tankstelle. Auch hier triumphiert der Irrsinn in Form des unsäglichen Agrosprits E10, ein Laborkind der industriellen Agrarwirtschaft. Wir müssen uns dieser Spirale entziehen. Jeder auf seine Weise. Laut oder leise. Auf jeden Fall weise. Und singen mit den Blechbüchsensoldaten der Augsburger Puppenkiste „Roll, roll, roll, jawoll, jawoll …“ Stopp. Sie haben das Ziel erreicht. Hört sich an wie einer dieser Unsätze des technischen Fortschritts. Wo doch jeder weiß, dass der Weg das Ziel ist. Dieses Sprichwort würzt unseren Alltag. Das Maggi des Philosophen.

Wow, fast 21 Jahre haben wir uns nicht mehr gesehen, geschweige denn miteinander musiziert. Trilok und ich staunen und versuchen herauszufinden, wann genau unser letztes Treffen gewesen sein mag. Mit obigem Ergebnis: As time goes by. Es riecht nach Gewürzen.

Text
Dieter Ilg
Foto
Christian Schmid

Veröffentlicht am unter 88, Jazz cooks

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