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Anke HelfrichEs ist Mai. Auch der Wonnemonat genannt. Es regnet in Strömen und ich habe inzwischen wieder meine Heizung hochgedreht. Die Winterreifen hätte ich vielleicht schon durch Sommerreifen ersetzen können, aber ich bin noch nicht dazu gekommen.

Seit Wochen habe ich keine Zeitung gelesen, Nachrichten geschaut oder Radio gehört! Um mich wieder auf den neuesten Stand zu bringen, setze ich mich an meinen Computer und gehe auf Spiegel Online. Aha?… was muss ich lesen: „Aufwind für die Jazzbranche“, dieser Artikel interessiert mich natürlich! Doch bevor ich Genaueres in Erfahrung bringen kann, werde ich abgelenkt und klicke auf „KulturSPIEGEL gefällt mir“. Schon finde ich mich auf der Facebook-Seite wieder und erfahre die genaue Anzahl der KulturSPIEGEL-Fans und sehe, dass zehn meiner Facebook-Freunde auch KulturSPIEGEL-Fans sind. Na dann!

Mein Augenmerk richtet sich auf das Bild eines „Freundes“, von dem ich noch nicht einmal weiß, welches Instrument er eigentlich spielt. Wie konnte er so einfach mein Freund werden, obwohl ich so gar nichts über ihn weiß? Ich gehe auf sein Profil und finde einen Link zu seiner MySpace-Seite. Bass spielt er also, und zwar richtig gut! Ich bin bereit, auch hier sein Freund zu werden, logge mich mit meinem Password ein und klicke auf „als Freund adden“.

Es ist schon erstaunlich: Ohne das Haus zu verlassen, kann man sich an einem regnerischen Nachmittag mit Menschen aus Amerika, Afrika, Asien oder auch aus Aschaffenburg und Amorbach befreunden. Segen und Fluch zugleich! Eigentlich ist eine eigene MySpace-Seite wie eine Visitenkarte, auf der man alle relevanten Dinge angibt und seine Musik als mp3-Files zum Hören anbietet. Es ermöglicht einem, mit echten Freunden, Studienkollegen oder anderen Musikern in Kontakt zu treten bzw. den Kontakt leichter aufrechtzuerhalten und sie über anstehende Konzerte und Aktivitäten zu informieren. Früher hatte man eine Homepage, dann kam MySpace und inzwischen ist man ohne Facebook, Twitter etc. nicht mehr „up-to-date“. Wahrscheinlich verbringt ein Großteil der „User“ mehr Zeit im WorldWideWeb, als sich mit realen Freunden zu treffen, die Verlockungen sind ja auch zu groß.

Ich habe mich schon sehr gewundert, als  ich die ersten Einladungen zu seltsamen Spielen wie „Farmville“, „Mafia Wars“ oder „Happy Aquarium“ bekam. Man sollte nicht meinen, dass erwachsene, viel beschäftigte Musiker für solche Dinge Interesse und Zeit haben! Ganz abgesehen von den „Smile“-, „Kiss“- und „Show some love“-Anfragen, den Einladungen zu den hirnrissigsten Gruppen oder Veranstaltungen. Es kam auch schon vor, dass ich um finanzielle Unterstüzung oder um andere dubiose Dinge gebeten wurde: Glücklicherweise gibt es dafür den „Defriend-Button“. Aber wenn man von all dem einmal absieht, hat es doch auch seine guten Seiten. Im letzten Jahr habe ich mit einem Facebook-Freund ein sehr inspiriertes Konzert gegeben, habe mehrere interessante Anfragen bekommen und sogar eine Tour gespielt, für die ich sozusagen in letzter Minute als „Sub“ gefragt wurde.

Was wollte ich eigentlich? Ach ja, den Artikel im Spiegel lesen! „…?Im Hamburger Hafen ist junger und bester Jazz zu hören. Das und der Jazz Echo beweisen: Das Genre hat noch längst nicht ausgespielt.“ Wer behauptet denn, dass es mit dem Jazz vorbei sein sollte? Natürlich wird auch hier die momentane wirtschaftliche Lage beklagt, aber ich habe das Gefühl, dass das Interesse am Jazz nie abgenommen hat. Die Nachfrage bei Jazzworkshops, an Jazzstudiengängen, die Etablierung der Jazzahead! und des German Jazzmeetings sowie der seit diesem Jahr ins Leben gerufene Jazz Echo sprechen dafür.

Vielleicht habe ich aber durch diese ganzen Internet-Foren auch einen etwas verzerrten Blick auf die Sache? Mir kommt es so vor, als interessiere sich die Welt für nichts anderes als Jazz und alles was damit zusammenhängt…

Liebe Grüße,
Anke

Veröffentlicht am unter Blog thing

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