Esbjörn Svensson

HOME.S.

(ACT/edel)

Esbjörn Svensson – HOME.S. (Cover)Wie soll man mit Aufnahmen wie diesen umgehen? Sie pflichtschuldig bejubeln, wie es einem Jahrhundertmusiker wie Esbjörn Svensson gebührt? Oder dem üblichen Kritikerreflex folgen, die Nase rümpfend ein bisschen dran herummäkeln und versuchen, alles als großen Marketingcoup zu entlarven? Vielleicht gelingt es ja einfach für kurze Zeit, den berühmten Namen auszublenden und nur auf die Musik zu hören, auf dieses Klavier, das ganz allein spielt, Aufnahmen – keiner weiß, ob improvisiert oder komponiert –, die über eine seltsame Anmut, eine Sogwirkung verfügen, der sich niemand entziehen kann. Der erste Eindruck: Populismus geht anders. Da sitzt einer zu Hause in seinem Keller und sucht Wege, neue Wege. Keine Rollenspiele im Trio mehr, keine reproduzierbaren Ohrwürmer. Witwe Eva Svensson, die die Stücke auf Esbjörns Festplatte fand, wunderte sich, genauso wie Åke Linton, der Tontechniker, der alle e.s.t.-Alben und Live-Shows begleitet hatte. Keiner wusste von des Pianisten Plänen, seinen geheimen Fluchten. Denn auf den neun Stücken, die nach den Buchstaben des griechischen Alphabets benannt wurden und wenige Wochen vor seinem plötzlichen Unfalltod 2008 entstanden, klingt er anders als sonst. Inniger, emotionaler, fragiler, unpathetisch, sanft und berührend. Wie ein klassischer Tastenträumer, der Bill Evans liebt. Eine verborgene Seite. Keiner sollte nun voreilig den Schluss ziehen, Esbjörn hätte mit dem Gedanken gespielt, sich von e.s.t. zu trennen. Bei „HOME.S.“ geht’s um mehr als um einen Tapetenwechsel. Es geht um das Glück des Künstlers, mit sich im Reinen zu sein, eine Tür in eine unbekannte Dimension zu öffnen. Nur für sich. Und jetzt auch für den Rest.

Text
Reinhard Köchl
, Jazz thing 146

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