Christoph Grab Raw Vision

Code Talker

(Unit Records/Harmonia Mundi)

Christoph Grab Raw Vision – Code Talker (Cover)Wer ein Buch kaufen will, der liest den Klappentext und weiß, was ihn erwartet. Bei einer CD erfährt man nicht durch die zumeist heuchlerischen Liner-Notes etwas über den Inhalt, sondern am besten über die Namen der Stücke. „Das furchtbare Schweigen der Guten“, „Kellerassel“ oder „Schattenreich“ heißen diese auf dem aktuellen Album des Schweizer Saxofonisten Christoph Grab, das er mit Gitarrist Frank Möbus, Posaunist Bernhard Bamert (Tré), Akkordeonist Thomas Lüscher, Bassist Silvan Jeger und Drummer Maxime Paratte aufgenommen hat. Und so klingen sie auch. Düster, morbide, schonungslos offen, entblößend, kampfeslustig, paralysiert, hyperaktiv, melancholisch, manchmal auch euphorisch: ein Stück Musik wie ein Roman von Karl Ove Knausgård. Voller komplexer Rhythmen, energiegeladener Instrumentalbeiträge, spannender Soli und überraschender Wendungen. Vielleicht sollte man das Ganze Jazz nennen, weil Grab auf klassische Kompositionstechniken zurückgreift. Allerdings sprengt das Interplay alle Genregrenzen, integriert Gegensätzliches und versöhnt das Komplexe mit dem Archaischen. Ach ja: „Code Talker“ entstand nicht in Berlin, sondern in New York. Hört man in „Protect Me From What I Want“. Auch der Big Apple hat sich verändert.

Text
Reinhard Köchl
, Jazz thing 111

Veröffentlicht am unter Reviews

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