Albert Ayler

Revelations

(Elemental Jazz/edel)

Albert Ayler – Revelations (Cover)Allmählich wird es ein schlüssiges Bild, das sich über das Mysterium Albert Ayler in der Jazzgeschichte verankert. Denn „Revelations“ ist in mehrerlei Hinsicht eine Sensation. Zum einen korrigieren die erstmals vollständig veröffentlichten ORTF-Fondation-Maeght-Recordings-Sessions aus Frankreich vom 25. und 27. Juli 1970 den soundtechnisch miserablen Eindruck, den die „Holy Ghost Box“ 2004 von Aylers letztem Auftritt hinterließ. Zum anderen strotzt das Konzert nur vor musikalischer Vielfalt, von den bekannten Improvisationsorgien über Calypso-Anwandlungen à la „St. Thomas“ bis hin zu Märschen, Gospelrufen und Volksliedern. Der Tenorsaxofonist verzichtete nie auf eine Melodie. Selbst seine wildesten Ausbrüche basierten auf kurzen, tänzerischen Kompositionen voller melodischer Offenheit. Auf vier CDs, die mit einem prallvollen 100-Seiten-Booklet ergänzt werden, fällt noch etwas anderes auf: Ayler, der wegen seiner Radikalität unter der Ignoranz der breiten Öffentlichkeit litt, erfuhr endlich überfällige Genugtuung. Über 1.000 Menschen jubelten ihm, seiner Partnerin Mary Parks am Sopransaxofon, Carl Cobbs (Piano), Steve Tintweiss (Bass) und Allen Blairman (Drums) zu, wie einem Superstar. Vier Monate später wurde seine Leiche an einem Pier am East River in Brooklyn angespült.

Text
Reinhard Köchl
, Jazz thing 144

Veröffentlicht am unter Reviews

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