18: Destination Unknown. Die Zukunft des Jazz

Destination Unknown. Die Zukunft des Jazz„Destination Unknown. Die Zukunft des Jazz“Der 18. Band der „Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung“ ist der letzte, den Wolfram Knauer als (Gründungs-)Direktor des Jazzinstituts Darmstadt herausgegeben hat. Gut 33 Jahre lang stand der promovierte Musikwissenschaftler („Zwischen Bebop und Free Jazz. Komposition und Improvisation des Modern Jazz Quartet“, so der Titel seiner Doktorarbeit) dieser international renommierten Forschungsstätte mit dem weltweit zweitgrößten Jazzarchiv vor. Der Band ist mit „Destination Unknown. Die Zukunft des Jazz“ überschrieben und rekapituliert in Schriftform die Vorträge und Paneldiskussionen des 18. Jazzforums, das vergangenes Jahr in Darmstadt vom 28. bis 30. September stattgefunden hat.

Zur Eröffnung dieses Symposiums gab Darmstadts Oberbürgermeister Hanno Benz die Nachfolge von Knauer bekannt, der im Februar 2024 in Rente gegangen ist. Neue Institutsdirektorin ist seit März Bettina Bohle, promovierte Musikwissenschaftlerin, Philologin und Philosophin. Dass sie die richtige Person auf dieser Position ist, machte sie gleich mit ihrem Vortrag beim Jazzforum deutlich, der in gewisser Weise auch ihre Antrittsvorlesung gewesen ist, und bestätigt diesen Eindruck nun mit ihrem Aufsatz in den „Darmstädter Beiträgen zur Jazzforschung“. Erfrischend unakademisch und gänzlich ideologiefrei nähert sie sich dem Begriffspaar „Genre & Jazz“ an, obwohl, oder gerade weil sie unter anderem einen Bogen schlägt von Platon über Wittgenstein bis zu den verschiedenen Diskursflächen von heute.

Überhaupt zeigen nicht wenige der Beiträge in „Destination Unknown. Die Zukunft des Jazz“ etwas, das lange Zeit im Jazz und der improvisierte Musik vermisst worden ist: die Bereitschaft, auch mal kontrovers und Widerspruch anregend verschiedene Aspekte dieser Musik zu diskutieren. Harald Kisiedu zum Beispiel, der Theo Crokers Satz „Jazz is dead“ zum Anlass nimmt, um über eine gar nicht mal so neue Idee nachzudenken und diese auch in andere Kontexte zu setzten. Spannend auch der Saxofonist Frank Gratkowski, der einige von Bohlens Gedanken zum Jazz aufgreift und diese in sein eigenes Tun als Musiker überträgt. Sein Instrumentalkollege Uli Kempendorff diskutiert wiederum die Wechselbeziehungen zwischen einer doch anti-intellektuellen, reflektionsarmen Ausbildung zum/-r Jazzmusiker/in und dem Standing der Jazzszene in Institutionen, öffentlicher Wahrnehmung, Rundfunk, Kulturpolitik und Forschung.

Zudem gibt es noch Beiträge von Richard Herzog, „Ancient to the Future. Jazz ersteht aus seiner Vergangenheit auf, bei Matana Roberts und Moor Mother“, Magdalena Fürnkranz, „Jazz and Afrofuturism. When Sun Ra met Janelle Monáe“, Monika Herzig, „New Standards: 101 Action Items. Ein praktischer Leitfaden zur Genderparität“, oder Kaspar von Grünigen, „Möglichkeiten und Grenzen der Demokratisierung von Kulturpolitik: Die Basler Initiative für mehr Musikvielfalt“. Für Knauer sind die Aufsätze und verschriftlichten Panels vor allem eines, wie er in seinem Vorwort hervorhebt: „Persönlich ist genau das eines der Zukunftsbilder, die ich für den Jazz und die improvisierte Musik im Blick habe: dass er uns hilft in einer zunehmend komplexen Welt improvisierend neue Wege zu finden, den Weg auch ins Unerforschte, ins Unbekannte nicht zu scheuen. Denn ,Destination Unknown‘ sollte ja nicht von Angst geprägt sein, sondern von der uns Menschen eigenen Lust des Entdeckens.“ Destination Unknown. Die Zukunft des Jazz“ hat 272 Seiten, ist kürzlich im Wolke Verlag erschienen und kostet 29 Euro.

Weiterführende Links
„Destination Unknown. Die Zukunft des Jazz“

Text
Martin Laurentius

Veröffentlicht am unter News

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