RIP: John Cumming

John CummingJohn CummingDie Frage sei erlaubt: Wo stünde der US-amerikanische Jazz heutzutage, gäbe es nicht die vielen großen und kleinen Festivals, die Jazzclubs und Spielstätten in Europa, die gleichsam für viele Musiker*innen aus dem Mutterland des Jazz zu Laboren wurden, in denen sie ihre Kunst weiterentwickeln konnten? Und was wäre die improvisierte Musik Europas, wenn es nicht seit Jahren diese vielen Veranstalter*innen gegeben hätte, die leidenschaftlich und visionär an einer eigenständigen Sprache des Jazz aus Europa gearbeitet hätten? Auf Anhieb fallen einem große Namen ein – Nikolaus Troxler mit seinem Jazzfestival in Willisau etwa oder sein Landsmann Claude Nobs mit dem Montreux Jazzfestival, Burkhard Hennen mit dem moers festival in Deutschland, Huub van Riel, der über viele Jahre das Programm im Bimhuis in Amsterdam verantwortet hatte, Reiner Michalke und Matthias von Welck, die für die Initiative Kölner Jazz Haus den Stadtgarten organisieren. Und in dieser Aufzählung darf der 1948 in Schottland geborene John Cumming nicht fehlen, der 1993 das London Jazz Festival mitgegründet hat.

Schon als Jugendlicher wurde Cumming Jazzfan und reiste zum Beispiel nach London, um Konzerte mit Gerry Mulligan oder Sonny Rollins zu besuchen. Nachdem er sein Geschichtsstudium in Edinburgh abgebrochen hatte, war er zuerst als Theaterproduzent tätig, bevor er 1973 das Musikprogramm vom „South Hill Park Arts Center“ in Berkshire kuratierte und das Bracknell Jazz Festival gründete. 1977 zog er nach London, um die Camden Jazz Week zu programmieren, und in den 1980ern rief er mit John Ellson die Agentur „Serious Productions“ ins Leben, mit der er die Karrieren unter anderem von Andy Sheppard und John Surman international auf den Weg brachte.

25 Jahre war Cumming Programmleiter für das London Jazz Festival; ihm ist es zu verdanken, dass dieses Festival in der britischen Hauptstadt bis zu seinem Abschied 2018 so erfolgreich werden konnte. Natürlich gab es dort Konzerte mit vielen internationalen Jazzgrößen und -stars. Doch stets war es Cumming wichtig, unbekannten Musiker*innen aus Großbritannien und Europa auf „seinem“ Festival ein Podium zu geben, wo sie ihre kreativen, teils sperrigen Projekte einem breiten Publikum vorstellen konnten. Zudem ermutigte Cumming als Gründungsmitglied des „Europe Jazz Network“ auch und gerade Frauen, eine Karriere im Konzertbusiness zu wagen; so trat zum Beispiel 2018 auf sein Geheiß die Türkin Pelin Opcin seine Nachfolge in der Leitung vom London Jazz Festival an. Am 17. Mai ist Cumming im Alter von 71 Jahren gestorben.

Text
Martin Laurentius

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