Frankfurt: Albert Mangelsdorff@90

Albert MangelsdorffAlbert MangelsdorffAls 1957 die Aufnahme „Jazz Salon Dortmund“ mit dem Gitarristen Attila Zoller erschien, war er noch Angestellter des Radio-Tanzorchesters. Da spielte er für den Lebensunterhalt, doch irgendwann hing ihm der „verschnulzte Kram“ zum Hals raus, abends jammte der Posaunist Albert Mangelsdorff im Frankfurter Jazzkeller. Am 5. September wäre der vor 13 Jahren verstorbene Posaunist 90 Jahre alt geworden. Mangelsdorff war der auch international bewunderte Initiator und Repräsentant des deutschen Nachkriegs-Jazz schlechthin.

Vor 70 Jahren, als seine Platte „Modern Jazz“ erschien, trat Mangelsdorff als Nachwuchsmusiker beim Newport-Jazzfestival in den USA auf. Die Begegnung mit den amerikanischen Musikern bezeichnete der stets bescheidene Frankfurter später als großen Einschnitt in seiner Entwicklung: Hier sei ihm klar geworden, „wie wichtig es ist, seinen eigenen Weg zu suchen“. Die 1963 aufgenommene Platte „Now Jazz Ramwong“ mit seinem Quintett, zu dem auch der Saxofonist Heinz Sauer gehörte, dokumentiert erste intensive Auseinandersetzungen mit asiatischen Kulturen; im Auftrag des Goethe Instituts war Mangelsdorff häufig auf Auslandstournee. Vier Jahre später, als seine Platte „Folk Mond & Flower Dream“ veröffentlicht wurde, war Mangelsdorff schon international anerkannt – bis heute eine Rarität für einen deutschen Jazzmusiker: Die amerikanische Fachzeitschrift „Downbeat“ kürte ihn zum vielversprechenden Talent und Auftritte mit eigener Band beim mittlerweile renommierten Newport-Festival folgten.

„Wir haben auf totales Risiko gespielt“, sagte Mangelsdorff über den Anfang der 1970er-Jahre, als die Live-Aufnahme „Diggin´“ in Tokyo entstand, der grandiose Heinz Sauer entwarf das Thema für die über 20-minütige Kollektivimprovisation „Mahüsale“. Das Meisterwerk „The Wide Point“ mit dem einstigen John Coltrane-Schlagzeuger Elvin Jones und dem Bassisten Palle Danielsson folgte 1975. In der Zeit hat Mangelsdorff das Soloposaunenspiel zu seinem Markenzeichen entwickelt, selbst die sonst eher auf sich bedachten amerikanischen Jazzstars lobten ihn als „großen Neuerer des Jazzposaunenspiels“. Die für ihn typischen „Multiphonics“ auf der Platte „Tromboneliness“ (1976) beschrieb Mangelsdorff als Spieltechnik, bei der „eine Note gespielt und meistens eine darüber gesungen wird, dass eben Akkorde entstehen“.

Von 1995 bis 2000 leitete er das Berliner JazzFest, parallel dazu war er weiterhin auf Tour und im Plattenstudio, oft auch mit seinem langjährigen Partner, dem Pianisten Wolfgang Dauner. Die 1999 bei MOOD erschienene Aufnahme „Hut Ab!“ war sein „persönliches Dankeschön an all diejenigen, die für die Jazzmusik etwas auf die Beine gestellt haben“. Das 49. Deutsche Jazzfestival wird am 22. Oktober in der Frankfurter Alten Oper mit einer Hommage an Mangelsdorff eröffnet. Unter dem Motto „Hut ab! – Albert Mangelsdorff@90“ werden auch Christof Lauer, Joachim Kühn, Pierre Favre, Nils Wogram, Samuel Blaser, Stefan Lottermann, Bruno Chevillon, Daniel Humair und die hr-Bigband dabei sein.

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„Hut ab! Albert Mangelsdorff@90“

Text
Christian Broecking
Foto
HR/Urban Kirchberg

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