Gestorben: Christian Burchard

Christian BurchardChristian Burchard

Fast ein halbes Jahrhundert lang war er der Kopf der Band Embryo, des unvergleichlichen reisenden Kollektivs von Musikern, die sich zugleich als Kraut-Rock- wie auch Weltmusik-Pioniere hervortaten. Am 17. Januar ist Christian Burchard im Alter von 71 Jahren gestorben. Begonnen hat es für den Hofer Multiinstrumentalisten in den frühen 1960ern mit der Posaune, dem Vibrafon und dem Jazz, er begleitete unter anderem Mal Waldron auf Tournee, bevor er 1969 Embryo gründete. Als Schlüsselerlebnis für seine Hinwendung zu fremden Kulturen bezeichnete er immer eine erste Marokkoreise 1971: Erstmals spielte er in anderen Zeitsystemen und Vierteltonskalen. Burchard, der nun auf die Position des Drummers wechselte, beschrieb die Suche nach fremder Musik, die fortan für Embryo begann, als Sucht.

Die Band, der bis heute 400 Musiker angehörten und die zu ihren Mitgliedern zum Beispiel die späteren Dissidenten Uve Müllrich und Friedo Josch, den Oudspieler Roman Bunka, Saxofonist Charlie Mariano oder Perkussionist Ramesh Shotham zählte, spielte und organisierte unzählige Konzerte mit außereuropäischen Musikern, von Südamerika bis Fernost. Die größte Inspiration für die Entwicklung ihrer Variante der frühen Weltmusik lieferte für Embryo eine Busreise 1978 und 79 von München über Afghanistan und Pakistan nach Indien. Sie wurde in einer Dokumentation namens „Vagabundenkarawane“ eingefangen und schlug sich auf dem Album „Embryos Reise“ nieder, dem wohl bekanntesten unter den ca. drei Dutzend Werken der Gruppe. An kommerziellem Erfolg war Embryo, die mit den Bands Missus Beastly, Sparifankal und Ton Steine Scherben 1973 den ersten unabhängigen Plattenvertrieb Deutschlands, Schneeball, ins Leben rief, nie interessiert.

Bis heute scheiden sich die Geister an Embryo: Von den einen als anachronistische Hippieband abgeurteilt, deren Konzerte den Charakter öffentlicher Proben haben, fasziniert andere gerade das Konzept der bedingungslosen musikalischen Freiheit und des spontanen Werdens. Im Frühjahr 2016 musste Burchard seine musikalischen Aktivitäten nach einem Schlaganfall beenden. Seine Tochter Marya, die über all die Jahre natürlich ins Bandgefüge hineingewachsen war, hält Embryo jetzt weiter am Leben.

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Embryo

Text
Stefan Franzen
Foto
Frank Schindelbeck

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