RIP: Butch Morris

Butch MorrisIst am 29. Januar gestorben: Butch MorrisBevor er den Musikern erklären konnte, wie sein Dirigat funktioniert, las Butch Morris Physikbücher. Ornette Coleman hatte ihm einst klargemacht, dass Jazz nicht existieren würde, wenn es nicht um Spontaneität, Entflammung und Verbrennung ginge. Morris erwartete vom Ensemble folglich nicht, dass es swingt, sondern dass es brennt. Schließlich erfand Morris das Bindeglied zwischen Jazz und freier Musik, neue Formen für die notierte Komposition, die nicht mehr abhängig von improvisierenden Musikern sind.

Der Kornettist Lawrence Douglas „Butch“ Morris, der in den letzten Jahrzehnten ausschließlich als Komponist und Dirigent tätig war, wurde 1947 in Kalifornien geboren. Seit den 1970er-Jahren war er mit der kreativen New Yorker Szene verbunden, leitete die Big Band seines Freundes David Murray und erfand jene neue Art des Komponierens für größere Ensembles, die er „Conduction“ nannte. Morris wirkte auch bei Aufnahmen von John Zorn, Billy Bang, Randy Weston und Cassandra Wilson mit, die ihn für den wichtigsten zeitgenössischen Jazzdirigenten und -arrangeur hielt. Sein Großprojekt „Berlin Skyscraper“ konnte er 1995 im Rahmen eines mehrmonatigen Stipendiums beim Total Music Meeting realisieren, unter dem Titel „Black February 2005“ feierte er das 20-jährige Jubiläum seiner Conductions mit einer umfangreichen Konzertreihe in New York. „Überleben, das ist das Problem. Wie bekomme ich das nächste Stück zuende, wovon lebe ich“, sagte er in einem seiner letzten großen Interviews.

Für Butch Morris war klar, dass afroamerikanische Musiker eine Bedrohung des klassischen Musikbetriebs darstellen. Man habe eher Angst vor einem schwarzen Mann namens Butch, als dass man ihn für seine Kunst umarmen würde. „Es gab immer Widerstände, gegen die Art, wie schwarze Musiker sich ausdrücken. Ob nun Louis Armstrong, John Coltrane, Ornette Coleman – sie transformierten die Musik, um dieses neue Ding zu kreieren.“ In 20 Jahren und 143 Conductions will er nicht ein einziges Mal mit den Musikern über Ton- oder Taktart diskutiert haben. Doch die Notation verließ er nie. Morris schrieb konventionell, von links nach rechts, sehr schnell erfassbar, ohne Farben oder grafische Symbole. Von Charles Moffett übernahm er die ausgestreckte linke Hand als Zeichen für einen anhaltenden Sound. „Wenn man einen neuen Komponisten, einen neuen Dirigenten und einen neuen Musiker hat, dessen musikalische Kompetenz wesentlich weiter greift als das, was in den vorangegangenen Generationen Standard war, dann hat man die Voraussetzung für neue Musik.“ Am 29. Januar ist der große Klangerfinder Butch Morris nach langer schwerer Krankheit in New York gestorben. Er wurde 65 Jahre alt. Text: Christian Broecking

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Phocus/Rossetti

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