Harmolodisches Kino (Ornette Coleman)

Kürzlich sah ich einen 15 Jahre alten Film des gefürchteten Kult-Regisseurs David Cronenberg. Das Werk heißt „Naked Lunch“, beruht auf einem Buch von William Burroughs und ist ein wilder, offenbar drogenaffiner Alptraum-Cocktail aus folgenden drei Hauptzutaten: Spionage im Orient, sprechende Schreibmaschinen, viel Insektenvernichtungsmittel. Bemerkenswert fand ich, dass die Musik zum Film unverfroren Ornette Coleman imitierte. Bis ich herausfand, dass hier der Meister selbst am Werk war – zusammen mit dem Filmkomponisten Howard Shore. Seitdem versuche ich die tiefere Geistesverwandtschaft zwischen Cronenbergs Film und Ornettes Musik zu begreifen.
Die besten Hinweise lieferten mir Ornettes Kommentare in der Soundtrack-CD: „Partitur und Drehbuch (des Films) sind harmolodisch. Des Schauspielers Sound, Szenen, Dialoge, Objekte und Farben haben eine gleichberechtigte Beziehung zur Kunst von ‚Naked Lunch‘.“ Oder: „Melodie ist multipler Einklang und genauso ist Cronenbergs Drehbuch multipel im Dialog der Konversation.“ Oder: „Stimmen, Modulation, Einklang als sinfonische Form. Doch keine dieser Formen existierte vor ihrem Verhältnis zueinander. Das kann man durch die Schauspieler und den Dialog im Film ‚Naked Lunch‘ erfahren.“ Ich vermute mal: Man versteht diese Sätze erst richtig, wenn man Ornettes Buch gelesen hat.
Pit Huber







