Free Jazz

Bis dahin hatte ich Free Jazz für ein Fanal der musikalischen und politischen Befreiung gehalten: Emanzipation vom 19. Jahrhundert, Anschluss an Schönberg, Verlängerung des Kommunistischen Manifests. Warum sein Instrument beherrschen lernen, hieß es in den Sechzigern, wenn man stattdessen ein mutiger Avantgardist sein kann? Warum an schlechten Tagen spielen, wenn man auf der Bühne genauso gut eine blutige, revolutionäre Rede halten kann? Goldene Ära der Freiheit!
Nur ein paar griesgrämige, alte Bebopper fragten damals: „Free Jazz? Free of what? Free of chords? Free of talent?“ Heute weiß ich es: Free of charge! Dank BMI ist ein jahrzehntealtes Missverständnis endlich ausgeräumt: Der Begriff „Free Jazz“ beschreibt im Amerikanischen lediglich die ökonomischen Bedingungen. Weil die Jazzlokale in den Sechzigern keine Experimente wollten, spielten die Jungen in Coffee Clubs und Lofts – „for free“. Das Publikum hatte ein fröhliches Get-together bei dicken Joints und kostenloser Musik. „Free smoke, free jazz“, stand an der Tür. Auch Ekkehard Jost ist drauf reingefallen.
Free Jazz ist heute wieder sehr populär. Unter den Jazz-Angeboten im Internet sind „Free Jazz Downloads“ mit Abstand die beliebtesten. Die BMI allerdings war besonders schlau: Sie köderte zwar das Publikum mit freiem Eintritt, kassierte dann aber von der Merkin Hall die Konzertabgaben. Nur die GEMA ist noch schlauer: Kürzlich senkte sie für Jugendclub-Konzerte die Gebühren, gibt dafür aber an die dort auftretenden Musiker nichts mehr weiter. Diese innovative Idee wurde auch prompt mit dem Bayerischen Rockpreis belohnt. Es lebe die ganz freie Musik!
Pit Huber







