Berlin: Europeana
Joachim KühnAls 1995 „Europeana“ auf dem damals noch jungen Jazzlabel ACT Music erschien, war der Jazzpianist Joachim Kühn längst auf dem Zenit seiner Karriere. 1944 in Leipzig geboren, flüchtete er 1966 aus der DDR in den Westen, wo er anfangs mit seinem Klarinette spielenden Bruder Rolf für Furore sorgte. Mit einem Quartett spielten die Zwei beim Newport Jazzfestival in den USA und nahmen für Impulse! Records auf. Kurz darauf zog der Pianist nach Paris, wo er bei der Revolte europäischer Free-Jazz-Musiker/-innen mitmischte, danach ging er in die USA, um als Keyboarder im damals populären Jazz-Rock zu reüssieren. Als Abschluss seiner USA-Jahre spielte er mit einer Allstar-Band (unter anderem mit Michael Brecker) ein Album ein, das seinen Neustart mit akustischem Jazz markierte. Nach seiner Rückkehr nach Europa arbeitete Kühn lange Zeit mit Jean-François Jenny Clarke (Bass) und Daniel Humair (Drums) im Trio und entwickelte aus der Erfahrung der Zusammenarbeit mit Ornette Coleman seine eigene Harmonik mit Namen „Diminished Augmented System“.
In gewisser Weise ist „Europeana“ ein Schlüsselwerk sowohl für das Label ACT und Kühn als auch für den Jazz und die improvisierte Musik Europas. Es ist ein orchestrales Werk, für das dessen Komponist Michael Gibbs die vielfältigen Musikkulturen Europas mit der Energie des Jazz der (nicht nur schwarzen) Amerikaner/-innen kombinierte. Es ist ein tatsächlich allumspannendes Stück Musik, das vor gut 30 Jahren mit der NDR Radio Philharmonie Hannover und einem prominent besetzten Line-up unter anderem mit Albert Mangelsdorff, Django Bates und Richard Galliano aufgenommen wurde. Die darauf zu hörenden zehn Stücke verkörpern regelrecht die grenzüberschreitende Kraft des Jazz und seinem sinn- und friedensstiftenden Anspruch.
Das kommt auch bei der Wiederaufnahme von „Europeana“ am 16. Mai als Abschluss der Spielzeit von „Jazz At The Berlin Philharmonic“ zum Tragen. Diesmal steht die NDR Bigband unter der Leitung von Geir Lysne im Fokus dieser Suite, angeführt wieder von Kühns raumgreifenden und weit ausholenden Spiel auf den 88 Tasten des Flügels plus dem Franzosen Émile Parisien am Sopransaxofon als Gast. Für das Symphonische dieser „Europeana“ sind diesmal die jungen Streicher vom vision string quartet verantwortlich. Mit dieser Neuauflage in der Berliner Philharmonie am 16. Mai will man an das Ende der Nazi-Diktatur und des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren erinnern.
Für dieses einmalige Konzert verlosen wir 2×2 Eintrittskarten. Schickt uns bitte bis zum 12. Mai eine E-Mail an redaktion@jazzthing.de – mit ein paar Sätzen über unsere wöchentlichen Jazz thing News. Viel Erfolg!
Weiterführende Links
„Europeana – Jazz At The Berlin Philharmonic“