Zeichen gesetzt: moers festival 2020

Köln (Stadtplan)

Am gestrigen Pfingstmontag ging das 49. moers festival zu Ende. Es waren auf jeden Fall ungewöhnliche Pfingsttage in der Grafenstadt am Niederrhein. Denn angesichts der Corona-Pandemie und des Lockdown mit seinem Veranstaltungsverbot fand das diesjährige Festival online ohne Publikum statt. Ob es tatsächlich ein außergewöhnliches Experiment gewesen ist, das der künstlerische Leiter Tim Isfort gewagt hat, sei dahingestellt. Die Genese des nun analogen Digital-Festivals in Moers verdeutlicht jedenfalls, wie steinig der Weg dorthin gewesen ist.

Kündigte man auf der ersten Pressekonferenz Ende März das Festival-Programm noch so an, als gebe es weder Corona noch Lockdown, so ruderte man einen Monat später zurück und präsentierte ein Digitalkonzept für ein Festival ohne Publikum und war auch zuversichtlich, dass das Gros der eingeladenen, internationalen Bands und Musiker*innen nach Moers anreisen werde. Kurz vor Festivalstart war dann klar: Obwohl Musiker*innen aus aller Herren Länder auf der Bühne in Moers sein werden, so musste man dennoch den Fokus auf die nationale, deutsche Szene legen – mit den beiden „Hotspots“ für improvisierte Musik im Mittelpunkt, Berlin und Köln mit dem Ruhrgebiet.

„Hat das funktioniert? Wir glauben: ganz bestimmt!“, heißt es selbstbewusst in der Abschluss-Presseerklärung. Mit dem Kultur-TV-Kanal arte.concert hatte man einen Partner mit an Bord, der die vier Live-Konzertstreams adäquat in Bilder übersetzen konnte, das Kulturradio des Westdeutschen Rundfunks, WDR 3, sorgte wiederum für einen guten Klang. Einige der eingeladenen Bands konnten selbst in der sterilen Atmosphäre der leeren moers-Festivalhalle überzeugen. Das Trio Grünen mit dem Pianisten Achim Kaufmann, dem Bassisten Robert Landfermann und dem Schlagzeuger Christian Lillinger beispielsweise, das mit einer komplexen Harmonik den tonalen Raum zu sprengen wusste, oder das Trio mit dem Saxofonisten Loren Stillman, Landfermann und dem Schlagzeuger Jonas Burgwinkel, bei dem vor allem die Rhythmusgruppe mit ihrem fast zur Unkenntlichkeit dekonstruierten Swing-Feel helle Freude machte. Und selbst The Dorf unter der Leitung von Jan Klare konnte mit seiner Adaption von Beethovens 5. Sinfonie die für dieses Ruhrgebiets-Großensemble typischen Energiewellen auch digital auftürmen. Andere Acts wiederum, vor allem die, die die Gefilde freier Improvisationsmusik erkundeten, hatten ihre Schwierigkeiten, um ihre Experimente den Zuschauer*innen an den Bildschirmen zu Hause zu vermitteln.

Vielleicht war das moers festival 2020 tatsächlich der Anfang von etwas Neuartigem, das für den Jazz und die improvisierte Musik endlich auch die Möglichkeiten des Digitalen einschließt. Ein Ziel haben Isfort und sein Team jedenfalls erreicht: Nicht wenige Musiker*innen aus Deutschland traten, wenn auch imaginär, auf einem international bedeutenden Festival auf (das vor mehr als 100.000 viraler Zuschauer*innen) und wurden dafür auch bezahlt. „Wir freuen uns darauf, Sie alle im kommenden Jahr zum 50. Jubiläum wiederzusehen“, so der lapidare Schlusssatz der gestrigen Presseerklärung. Ob dann mit oder ohne Publikum, steht allerdings noch in den Sternen.

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Text
Martin Laurentius

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