Steve Kuhn Trio

Wisteria

(ECM/Universal)

Steve Kuhn Trio - Wisteria„Die Quadratur des Kreises“ entwickelt sich langsam zum geflügelten Jazz-Terminus. Dabei geht es um Gegensätzlichkeiten, die auf wundersame Weise dennoch funktionieren. Warum ausgerechnet im Jazz? Weil es dort keine festen Regeln gibt? Oder weil man einfach schwer erklären kann, warum ein „Old School“-Pianist wie Steve Kuhn so verdammt modern, so erfrischend zeitgemäß klingt? Auf „Wisteria“ restauriert der 74-Jährige zusammen mit Uralt-Freund Steve Swallow (Bass) und Joey Baron (Drums) klug, dezent, höchst geschmackvoll ohne jeden Anflug von Pathos den gleichnamigen Blues aus der Feder Art Farmers sowie eine Reihe eigener Kompositionen, die dieser bereits mit Orchesterbegleitung für sein Album „Promises Kept“ (ECM) einspielte. Kuhn und Swallow lernten einander in den frühen 1960ern in der Band des Trompeters kennen und schätzen. Ihre glühende Leidenschaft für Melodien und die unbändige Lust, ein Thema improvisatorisch zu entblättern, verbindet sie auch nach über einem halben Jahrhundert. Manchmal wirkt der Mann am Klavier dabei mit seinen schimmernden Glissandi und den mächtigen Bassakkorden wie ein Licht, das die ganze Energie jener Ära, die kreative Kraft heute kaum mehr bekannter Piano-Kollegen wie Hampton Hawes oder Dodo Marmarosa absorbiert hat. Steve Kuhn ist heute definitiv einer der ganz wenigen Kreise, der in die riesige Quadratur des Jazzpianos passt.

Text
Reinhard Köchl
, Jazz thing 94

Veröffentlicht am unter Reviews

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