Dave Brubeck

Lullabies

(Verve/Universal)

PRO

Dave Brubeck – Lullabies (Cover)Die „Lullabies“ hat Dave Brubeck 2011 im hohen Alter von 91 Jahren eingespielt, ein knappes Jahr vor seinem Tod. Anlässlich seines 100. Geburtstages erblicken sie nun das Licht der Welt. Da saß er also, allein am Flügel, und tat das, was er sein ganzes Leben lang am liebsten machte: privat für seine fünf Kinder und seine Frau Wiegenlieder zu spielen. In solchen Momenten war Brubeck ganz bei sich, um Lichtjahre entfernt vom gefeierten Piano-Akademiker. „Meine Familie gibt mir die Kraft, sie stand immer über allem. Musik kommt erst an zweiter Stelle“, bekannte er 1998 im JT-Interview. In den Interpretationen scheinbar simpler Songs wird diese Priorisierung deutlich hörbar. Der Meister zelebrierte jeden Ton, ließ ihn nachklingen und verband ihn kunstvoll mit anderen zu kleinen Traumschlössern aus Elfenbein.
Reinhard Köchl

KONTRA

Einerseits ist „Lullabies“ ein Programm, das Grandpa Dave für den Nachwuchs der Familie Brubeck aufgenommen hat, ein gutes Dutzend sentimental-versöhnlicher Abendlieder an der Schwelle zum harmonisch eingeleiteten Schlummer. Als solches funktioniert es vorbildlich bis hin zu einer sich wohlig im Körper ausbreitenden Entspannung. Andererseits ist es als letztes Solo-Rezital des Meisters eigentlich ein Album außer Konkurrenz. Pianistisch passiert kaum etwas außer eleganten, bekannten Harmonisierungen. Spannungsbogen gibt es keinen, aus Konzept, aber auch weil Brubeck Dynamik, Tempo und Energie auf gleichbleibendem Niveau hält, im Kopf den Traum von Kindern, die mit Brahms und „Summertime“ ins Bett gebracht werden. Der alte Herr verabschiedet sich mit Nostalgie, nicht mit Aufbruch. Auch gut.
Ralf Dombrowski

Text
Reinhard Köchl, Ralf Dombrowski
, Jazz thing 137

Veröffentlicht am unter Reviews

Deutscher Jazzpreis 2024