Christian Muthspiel's Yodel Group

Huljo

(Material Records/Harmonia Mundi)

Christian Muthspiel's Yodel Group - HuljoWas haben wir diese Musik schon despektierlich belächelt, als mal wieder ein folkloristischer Latzhosen-Haufen im Musikantenstadl den Kehlkopf hat flattern lassen. Was haben wir gelästert, wenn das Dirndl zum alpenländischen TV-Treff glucksende Laute von sich gegeben hat. Spätestens seit vor allem österreichische Jazzer die Musik der Heimat als Grundlage ihres Schaffens entdeckt haben, ist Schluss mit Lustigmachen – und klar: Volksmusik hat die Substanz, um als Ideengeber für den Jazz zu wirken. Nach Wolfgang Puschnig und dem (bayrischen) Franz Josef Himpsel hat sich nun auch Posaunist Christian Muthspiel der Alpin-Jazz-Fusion verschrieben. Zum zweiten Mal liefert er mit seiner Yodel Group ein Glanzstück der Verschmelzung von Musikstilen, die auf den ersten Blick so viel miteinander zu tun haben wie New Yorker Wolkenkratzer mit dem Matterhorn. Muthspiel unterzieht neun Jodler aus dem familieneigenen Fundus einem improvisatorischen Stresstest, der zeigt, was die Fernseh-Folkloristen dieser Musik eigentlich angetan haben. Im Sextett befreit er die Vorlagen von klischiertem Kitsch und banaler Reduzierung, ohne dabei auf platte Provokation zu setzen. Mal tasten die Musiker nach dem Blues im Jodler, mal würzen die Bläser die Themen mit schrägen Halbtönen und verschränken sich in gewagter Polyphonie, mal lässt Bassist Jerome Harris den Funk-Bass in den Walzertakt knacken, mal mischt sich ein Fender-Rhodes-E-Piano ein, und bisweilen erreicht diese Musik sakrale Momente von tiefgehender Ernsthaftigkeit. Spannender geht’s nimmer.

Text
Michael Stürm
, Jazz thing 91

Veröffentlicht am unter Reviews

jazzfuel