RIP: Jost Gebers

Jost GebersJost GebersVergangenes Jahr konnte man noch einmal tief in die verästelte Welt der Free Music Production (FMP) einsteigen. Der Autor Markus Müller hatte viele Jahre recherchiert und mit Protagonist/-innen dieser Plattform für (jazz-)musikalische Avantgarde gesprochen, um die Geschichte dieser West-Berliner Plattenfirma und Konzertagentur auf nahezu 400 großformatigen Seiten seines Buchs „Free Music Production – FMP: The Living Music“ zu dokumentieren. Natürlich spielte darin auch Jost Gebers eine Hauptrolle. Ende der 1960er war Gebers in West-Berlin als Bassist zu erleben – im Free Jazz, aber durchaus jenseits der Grenzen dieses damals frischen, noch unbekannten Genres. In diesen Jahren lernte er auch den Wuppertaler Saxofonisten Peter Brötzmann kennen. Der hatte im Eigenverlag gerade zwei Platten, „For Adolphe Sax“ und „Machine Gun“, veröffentlicht, die stilbildend wurden für den europäischen Weg, den diese radikale Improvisationsmusik nehmen sollte.

In der Zeit sollte Brötzmann bei den Berliner Jazztagen auftreten. Weil er nicht der Kleiderordnung zustimmen wollte, wurde er von den Verantwortlichen kurzerhand wieder ausgeladen. Davon erfuhr Gebers und schlug vor, alternative Auftrittsmöglichkeiten für diesen neuen, kompromisslosen Free Jazz aus Europa zu schaffen. Die Idee zum Total Music Meeting und Workshop Freie Musik war geboren, so wie Brötzmanns zwei Platten zur Initialzündung für die Free Music Production wurden. Nicht nur Brötzmann und Gebers waren damals dabei, sondern auch Peter Kowald und Alexander von Schlippenbach. Gemeinsam versuchten sie, die Geschicke ihrer Initiativen zu koordinieren. Aber letztlich waren es der Wuppertaler Saxofonist und der Berliner Bassist, die über das rein Ästhetische von Album-Veröffentlichungen und der Organisation von Festivals und Workshops hinausdachten und FMP auch als politisches Instrument für die Verbreitung der jazzmusikalischen Avantgarde Europas betrachteten.

1972 stieg Brötzmann (und auch die anderen Musiker) aus dem operativen Geschäft aus. Gebers wiederum zog sich als Bassist aus der Szene zurück und hielt ab 1976 bei FMP ganz die Fäden in den Händen. „Das war von vornherein so ein Arbeitsprinzip von FMP, dass man eine Situation herstellen muss, wo eigentlich alles, was im Sinne dieser Musik ist, möglich ist“, wird Gebers in Müllers FMP-Buch zitiert: „Und dass man also wirklich Arbeitsbedingungen schaffen muss, dass man also auch wirklich mit einem großen Risiko Musik machen kann.“

Neben den Gründungs-FMPlern veröffentlichten bald schon andere Musiker/-innen auf diesem Label – wie zum Beispiel Manfred Schoof, Rüdiger Carl, Hans Reichel oder Irène Schweizer. Bereits 1973 suchte Gebers Kontakt zur Free-Jazz-Szene in der DDR und brachte seitdem auf FMP, entweder in Lizenz vom DDR-Label Amiga oder in Eigenproduktion Aufnahmen mit ostdeutschen Musikern des freien Jazz heraus – wie zum Beispiel mit den Posaunisten Conny und Johannes Bauer, dem Schlagzeuger Günter Baby Sommer oder dem Pianisten Uli Gumpert. Mit der elf CDs umfassenden Box „Cecil Taylor In Berlin 88“ wurde Gebers mit FMP auch drüben in den USA bekannt. „Als ich in Chicago war, kamen Leute zu mir mit der Taylor-Box und wollten von mir ein Autogramm haben“, erinnert sich Dagmar Gebers.

Zum Jahresende 1999 stieg Gebers bei FMP aus – und dann doch wieder nicht so richtig. Mit der Musikproduzentin und Veranstalterin Helma Schleif hatte er einen Vertrag geschlossen, allerdings nur über die Vertriebsrechte für den FMP-Katalog. Weil Schleif aber sowohl neue Alben produzieren als auch das Total Music Meeting weiter veranstalten wollte, kam es nach wenigen Jahren zum Prozess, der mit einem Vergleich zwischen den Kontrahent/-innen schloss. Mit dem Ergebnis, dass Schleif entnervt und frustriert den Büttel hinschmiss, Gebers 2011 mit einer Box plus Buch „FMP im Rückblick“ eine Art Opus magnum herausbrachte, mit dem er die Geschichte dieser Firma nach gut 50 Jahren enden ließ. Am 15. September ist Jost Gebers gestorben

Weiterführende Links
Free Music Production

Text
Martin Laurentius
Foto
Dagmar Gebers

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