Wolfgang Haffner / Ingolstädter Jazztage
Nach vorne schauen
Bei den Ingolstädter Jazztagen war in diesem Jahr vieles anders: Neue Spielorte, neue Formate, keine Top-Acts, die nur wenig mit Jazz zu tun haben. Und es gab ein neues Gesicht: Der Einstieg von Wolfgang Haffner als künstlerischer Leiter war ein Erfolg.
Damit hatte man auf Seiten der Veranstalter nicht gerechnet. Trotz des neuen Konzepts, das konsequent auf Jazz setzt, erreichte man nicht nur die Besucherzahlen des Vorjahres, sondern landete auch über dem langjährigen Mittel der vorherigen Veranstaltungen. Mit rund 6.000 Besuchern ist der Zuspruch konstant geblieben. Das war nicht unbedingt zu erwarten und ist ein gutes Zeichen. Das Line-Up 2023 zum 40. Jubiläum hatte die Blues- und Rocksängerin Beth Hart als Top-Act auf den Plakaten. Ihr Konzert fiel zwar kurzfristig aus, ist aber ein Beispiel dafür, wie eine Mischung aus Jazz, Rock, Funk, Soul, Weltmusik, Pop und weiteren Genres die Vorjahre prägte. Zog man von den 2023 verkauften 6.300 Tickets die 1.300 Eintrittskarten für ihren Auftritt ab, blieben 5.000 Karten übrig – auch damit war man nicht unzufrieden.
2024 zeigt: Es geht auch anders. Zum letzten Abend der Jazztage stand Schlagzeuger Wolfgang Haffner mit seinem Trio und Gast Thomas Quasthoff beim neuen „Grand Closing“ auf der Bühne und drückte das in der Musik aus, was auch seine Linie als künstlerischer Leiter ist. Für Haffner, Simon Oslender (Keyboards und Hammond) und Thomas Stieger (Bass) bildete es den Abschluss ihrer „Life Rhythm“-Tour. Es gab Jazz zu hören – in vielen Facetten. Aber jenen, der sich dem Publikum zugewandt zeigt, den traditionellen Fan mitnimmt und auch bei Neueinsteigern für Gänsehautmomente sorgen kann. Passend dazu spielte im zweiten Teil des Abends Nils Landgren mit seiner Funk Unit. Die sechs Musiker rund um den Posaunisten mit dem roten Instrument fühlen sich nicht nur dem Funk verpflichtet, sondern zeigen sich auch als Solisten, die den Stücken musikalische Tiefe geben.
Die Neuausrichtung der Jazztage begann mit einem Telefonat. „Man kannte sich schon flüchtig aus den Jahren, in denen ich schon in Ingolstadt aufgetreten bin. Ich habe mich dort immer wohl gefühlt. Irgendwann kam ein Anruf, ob ich künstlerischer Leister werden möchte, und ich habe mich sehr darüber gefreut“, so Haffner. Er musste nicht lange überlegen und sagte zu. „Ich mag den Menschenschlag dort, die Vibes auf dem Festival waren immer toll.“ Im Dezember 2023 wurde seine Verpflichtung offiziell.
In diesem Jahr konnte er aufgrund seiner bereits geplanten eigenen Tournee nur zum Auftakt vor Ort sein und zum Abschluss spielen. „Das ist das erste, dass ich für 2025 ändern will. Ich möchte die Konzerte selber ansagen, alles miterleben.“ Was er heuer als Rückmeldung bekam, bestärkt seine Absicht, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen. „Die Atmosphäre in Ingolstadt ist sehr familiär. Manchmal besuchen ganze Familien die Konzerte, viele aus der Region. Das ist auf großen Festivals wie etwa Montreux ganz anders. Da kommen Menschen aus der ganzen Welt angeflogen, weil es eben so ein Hype-Festival ist. Ingolstadt ist in einem positiven Sinne überschaubarer und ich habe den Eindruck, dass der große Teil der Besucher auch aus Ingolstadt und der Region kommt.“ Dies habe auch Einfluss auf die Programmgestaltung: „Es ist wichtig, dass die regionale Szene mit einbezogen werden muss. Das war in Ingolstadt über die Jahre hin weg der Fall und es ist auch mein Ansinnen, das weiter so zu machen.“
Die Jazztage sollen weiter offen bleiben für alle Spielarten des Jazz: „Wenn man sich versucht vorzustellen, was das Publikum möchte, ist man auf verlorenem Posten. Es geht mir um eine Vision. Ich versetze mich in die Situation, dass ich das Publikum bin und mir vorstelle, was ich als Wolfgang möchte: Was würde ich gerne hören, was sähe ich gerne auf der Bühne. So habe ich mit dem Team im Kulturamt das Programm kuratiert.“ Damit findet sich Haffner auf einer Linie wieder mit den Menschen, die ihn nach Ingolstadt geholt haben. „Wir haben jemanden als künstlerischen Leiter gesucht, der selber Musiker ist und für uns auch ein Aushängeschild. Er soll mit seiner Art dem Festival neue Impulse und eine neue Richtung geben“, sagt Tobias Klein, Leiter des Ingolstädter Kulturamtes. Da man sich intern besser aufgestellt habe, hat man organisatorische und kuratorische Aufgaben ins Amt überführen können. Der künstlerische Leiter soll allein die Musik im Blick haben: „Da kamen wir in der Diskussion irgendwann auf Wolfgang Haffner und haben ihn einfach angerufen.“
Wolfgang, der Musiker, soll also auch Wolfgang, das Publikum, sein. „Man darf sich dabei nicht von der Meinung anderer Menschen beeinflussen lassen“, sagt Haffner. „So halte ich es auch in meinem Leben. Das ist für mich ganz wichtig.“ Die „Drummers Night“ war für den Schlagzeuger Haffner natürlich eine naheliegende Ideen. „Ich schaue schon, wen wir im nächsten Jahr dafür buchen. Für mich als Schlagzeuger ist das ein wichtiges Instrument.“ Auch das „Grand Closing“ war Haffners Idee. „Bisher hatten wir zwar ein ,Grand Opening‘, aber das Festival hatte keinen echten Schluss. So etwas braucht man als verbindende Klammer.“ Noch ist Haffner in der Phase, die Eindrücke sacken zu lassen: „Dann schauen wir weiter.“ Fest steht, dass es wieder ein Jazz-Lab geben soll, in dem die zeitgenössische, freie und junge Jazz-Szene einen Programmpunkt hat, wo neue musikalische Formen ausprobiert werden. „Ich habe den Eindruck, das ist in Ingolstadt in der Form vorher nicht der Fall gewesen.“
Doch jedes Festival braucht auch große Namen. „Das ist wichtig, um Leute von außerhalb anzulocken. Da ich ja auch mit großen Künstlern spielen darf, ist es mir ein Anliegen, die nach Ingolstadt zu holen.“ Ideen gibt es schon, aber man sei noch in der Planung und Abstimmung. „Es ist noch zu früh, darüber zu reden.“ Wichtig sei dabei, sich mit anderen Festivals abzusprechen, um die Kosten für Engagements im Rahmen zu halten: „Es gibt oft Angebote von Agenturen, bei denen Gruppen von weither anreisen müssen. Das ist für einen Auftritt nicht zu realisieren.“ Deshalb versucht man, sich mit anderen Festivals abzustimmen, die in derselben Zeit stattfinden. „Da können aus einem Auftritt plötzlich drei oder sogar vier werden.“
Haffner kann sich einer soliden finanziellen Unterstützung durch das Kulturamt Ingolstadts sicher sein, das zwar einen Etat für die Jazztage hat, aber über sein Gesamtbudget Mittel flexibel verteilen kann. 2025 soll es keine Einsparungen geben. „Die Jazztage sind das bedeutendste Kulturfestival der Stadt. Wir wollen keine Mittel kürzen, denn sonst verlieren wir an Qualität“, betont Klein: „Die Finanzierung des Festivals steht auf soliden Füßen. Die Jazztage sind eine wichtige Säule in Ingolstadt.“ Vorläufig ist die Zusammenarbeit mit Haffner als künstlerischer Leiter auf zwei Jahre ausgelegt. „So haben wir uns verständigt“, so Klein. Es ist denkbar, dass sie darüber hinaus verlängert wird. Was aber beide Seiten nicht wollen: „Das werden sicher keine 20 Jahre werden“, sagt Klein und lacht. Der Jazz soll sich auch künftig in Ingolstadt durch Impulse immer neuer Leiterinnen und Leiter immer wieder im neuen Kleid zeigen.
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