Gee Hye Lee

Begegnungen und Geschichten

Die seit Generationen funktionierende Einstiegsdroge verfehlte auch in diesem Fall nicht ihre Wirkung. In jenem Moment, als die brave Klavierschülerin Gee Hye Lee mit 16 Jahren zum ersten Mal Miles Davisʼ „Kind Of Blue“ hörte, hatte die Klassik ein Talent verloren und der Jazz eines hinzugewonnen. „Ich fand das so faszinierend. Aber ich war noch so jung und habe mich anfangs nicht getraut.“

Gee Hye Lee (Foto: Dagmar Jerichow)

Mit 19 Jahren schließlich setzte sich Gee 1996 in ihrer südkoreanischen Heimat Seoul in den Flieger und landete in Stuttgart, wo sie sich an der Musikhochschule zu einer reifen, eigenständigen und interessanten Pianistin ausbilden ließ. Seither arbeitet sie bienenfleißig, aber nie verbissen an ihrer Karriere, unterhält mit Mareike Wiening (Drums) und Joel Lochner (Bass) eines der spannendsten Pianotrios der deutschen Szene und hat sieben Alben unter eigenem Namen veröffentlicht, vier davon im geliebten Trioformat.

Dass Gee Hye Lee nun einen durchaus strammen Richtungswechsel vornimmt, spricht für ihren ungebrochenen Drang, neue Territorien zu erkunden. „Als ich im Frühjahr 2024 begann, neue Stücke zu schreiben, habe ich schnell gemerkt, dass sie sich weniger für Klavier, sondern mehr für Bläser eignen.“ Deshalb besann sie sich an ihrer Freundschaft zum Tenorsaxofonisten Alexander „Sandi“ Kuhn und erinnerte sich an einen jungen Trompeter, der sie drei Jahre zuvor förmlich umhaute: Jakob Bänsch. Zusammen mit ihrem Trio entstand so ein nur als LP erscheinendes Livealbum, das den bezeichnenden Titel „Encounters“ (meiXmusic) trägt. „Aus Begegnungen entstehen immer Geschichten“, sinniert Gee Hye Lee. „Deshalb sind sie ja auch so aufregend! Das liebe ich!“ Wie den Jazz.

Text
Reinhard Köchl
Foto
Dagmar Jerichow

Veröffentlicht am unter 159, Feature, Heft

Festival Jazzdor Strasbourg Berlin 2025