RIP: Astrud Gilberto

Astrud GilbertoAstrud GilbertoDass Astrud Gilberto überhaupt Eingang in die Musikgeschichte gefunden hat, ist ihrer eigenen Beharrlichkeit zum richtigen Zeitpunkt zu verdanken. Am 19. März 1963 sitzen ihr Ehemann João Gilberto und Antônio Carlos Jobim in den New Yorker A&R Studios und kämpfen mit den Aufnahmen zu einem Album. Knapp fünf Jahre zuvor hatten der Gitarrist und der Komponist zusammen die Bossa Nova aus der Taufe gehoben, als frische, freche und schlanke Gegenbewegung zum pathetischen Orchestersamba. Die Bossa ist seit einem Konzert in der Carnegie Hall Exportschlager in die USA geworden. Der Jazzsaxofonist Stan Getz wittert den Erfolg, hängt sich an die beiden dran. Doch im Studio will der Funke zum Amerikaner nicht so recht überspringen. Als die Mikrofone João Gilbertos näselnde Stimme für das Stück „Garota De Ipanema“ einfangen, besteht seine Frau Astrud darauf, eine Strophe auf Englisch beizusteuern. Übers heimische Wohnzimmer hinaus hat die als Astrud Weinert geborene Tochter eines deutschen Immigranten und einer Brasilianerin bislang kaum Gesangserfahrungen aufzuweisen. Doch Produzent Creed Taylor unterstützt die Idee, denn so könnte sich das Album nicht nur unter Jazzfreaks, sondern breit in der englischsprachigen Welt verkaufen. „Tall and tan and young and lovely the girl from Ipanema goes walking…“ haucht sie ins Mikro. Der Rest ist Legende.

„The Girl From Ipanema“ wird, nachdem Taylor die portugiesische Strophe rausgeschnitten hatte, ein Millionenseller, macht die Bossa Nova und Astrud Gilberto weltberühmt. Doch wäre es zu kurz gegriffen, die am Montag, 5. Juni Verstorbene nur auf dieses Lied und das Album „Getz/Gilberto“ zu reduzieren. Nach der Scheidung von João 1964 nimmt sie bis Ende der 1970er einige feine Scheiben auf, in denen ihre verhangene, schmollmündige – und nie so ganz treffsichere – Stimme in großartige Easy-Listening-Texturen gebettet ist. Das Repertoire reicht dabei von Brazil-Klassikern bis zu Burt Bacharach. Herausragend etwa „The Shadow Of Your Smile“, an dem sich auch der deutschstämmige Arrangeur Claus Ogerman beteiligt, oder „Look To The Rainbow“ mit dem Orchester von Gil Evans. Ab den 1980ern macht sie sich schon rar. Doch bevor sie sich aufs Kunstmalen und den Tierschutz verlagert, überrascht sie nochmals – mit einem James-Last-Teamwork und einem Duett mit George Michael.

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Astrud Gilberto

Text
Stefan Franzen
Foto
CCO 1.0/Ron Kroon/Anefo

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