Moers: Das Hauptprogramm

moers festival-Plakatmoers festival-PlakatBeinahe hat man sich erschrocken. Denn die Pressekonferenz im Moerser Atlantik-Kino, auf der am 16. März das Hauptprogramm für das diesjährige moers festival vom 26. bis 29. Mai bekannt gegeben wurde, entpuppte sich gar nicht, wie befürchtet, als groteske Komödie – so wie das früher regelmäßig der Fall war, als zum Beispiel die Verantwortlichen auf dem Podium im Wasser eines Schwimmbeckens versenkt wurden oder sich vergangenes Jahr aus Anlass des Ukraine-Krieges darüber ausgelassen wurde, dass im digitalen moersland Bomben und Raketen dorthin zurückfliegen würden, wo sie hergekommen seien.

Diesmal hockten die Pressevertreter/-innen „nur“ im abgedunkelten Kinosaal vor einer flackernden Leinwand, den der künstlerische Leiter des moers festivals, Tim Isfort, als „Synapsenraum“ beschrieb. Nachdem sich Honoratioren aus Stadt und Land (unter anderem der Bürgermeister Christoph Fleischhauer und der Kulturdezernent der Bezirksregierung Düsseldorf, Thomas Doepner) mit Grußworten an die Journalist/-innen gewandt hatten, traten Isfort und die Geschäftsführerin der Moers Kultur GmbH, Jeanne-Marie Varain, endlich an die Mikrofone und stellten das Hauptprogramm ihres moers festivals vor – und das nahezu ohne Klamauk und Geblödel.

Fünf thematische Schwerpunkte sollen dieses Jahr das 52. moers festival strukturieren helfen. Unter der Überschrift „Aufbruch“ bringt man einige „Krachbands“ mit Noise, Punk und Rock auf die Bühnen des Festivalgeländes – wie beispielsweise eddy kwon + SUN HAN GUILD aus den USA, Selventher aus Dänemark oder Neptunian Maximalism aus Belgien. Den Schwerpunkt „?Afrika“ hat man mit einem absichtlich vorangestellten Fragezeichen wieder zu relativieren versucht, um auf die geografische und kulturelle Heterogenität dieses Kontinents zu verweisen. Ab diesem Jahr wolle man jedes Mal ein anderes afrikanisches Land im Programm vorstellen, so Isfort. 2023 ist es Äquatorialguinea, unter anderem mit der Stimme von Nelida Karrs.

Neptunian MaximalismNeptunian MaximalismGleichsam die Verbindung zwischen Afrika und „KYLWIRIA“ ist Lukas Ligeti, Schlagzeuger und Komponist sowie Sohn von György Ligeti, der am Festivalsonntag 100 Jahre alt geworden wäre. Lukas Ligeti wird mit drei seiner auch mit afrikanischen Musiker/-innen besetzten Bands in Moers zu hören sein. Und „KYLWIRIA“ ist wiederum der Name eines Fantasie-Landes, in das sich sein Vater György als Kind oftmals hineingeträumt hat. „Music For KYLWIRIA“ heißt demnach auch ein Auftragswerk des moers festivals an sechs Komponist/-innen (unter anderem Nate Wooley und Carolin Pook), das am 27. Mai vom Ensemble ColLAB Cologne uraufgeführt wird. Zudem stehen die Konzerte mit den Trondheim Voices und dem SWR Vokalensemble für unterschiedliche Schaffensperioden des stilbildenden Komponisten György Ligeti.

Mit dem Schwerpunkt „Wert“ will man generell die Frage nach dem Wert von Musik und Kultur für die Gesellschaft stellen und erhofft sich von Acts wie Kenny Garrett, Marilyn Mazur oder Günter Baby Sommer, entsprechende Antworten zu bekommen. Und zu guter Letzt gibt es noch die Überschrift „Be-Frei-Ung“ – weil es auch heute darum gehe, so Varain und Isfort, sich Klischees zu entledigen, freizuspielen und politisch Bezug zu nehmen. All das sollen an Pfingsten Konzerte mit dem iranischen Tember Ensemble beispielsweise oder dem russischen Trio Kruglov/Kozhevnikova/Yudanov verdeutlichen.

Dann hat man auch noch „jährliche Klassenfahrten“ (O-Ton Isfort) zwischen dem moers festival und der Londoner Free-Jazz-Teestube Cafe OTO vereinbart, zudem will Claudia Roth als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien zum Festival an den Niederrhein kommen, um mit weiteren Gesprächspartner/-innen über kulturelle und politische Teilhabe zu diskutieren. Das komplette Hauptprogramm vom „Jazzfestival für Musik / Synapsenbildung / Politik / Medienkunst und: Zusammensein“, so der vollständige Name dieses Jahr, den Isfort und Varain „ihrem“ moers festival zusätzlich gegeben haben, mit vielen für das Verstehen notwendigen Erläuterungen und Erklärungen gibt es auf der Festival-Website.

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moers festival

Text
Martin Laurentius
Foto
Emilie Foudelman

Veröffentlicht am unter News

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