Preview: Every Note You Play
Shazhad Ismaily & Ganavya DoraiswamyKöln von oberhalb des Rheins gesehen: Rechts sind Dom und das blaue Musicalzelt zu erkennen, hinter der Hohenzollernbrücke lugt Groß St. Martin hervor. Schnitt: zwei Matrosen, die die Leinen eines Schiffs loslegen. Schnitt: Die MS RheinFantasie legt ab, man sieht noch einmal das Kölner Rheinufer, dann hört man eine Gitarre aus dem Off, dazu eine klare, warme Stimme, bevor die Kamera ins Schiffsinnere schwenkt und man durch die Fenster das Rheinufer vorbeiziehen sieht. Schnitt: Gitarre spielend läuft Shazhad Ismaily übers Deck, während die in London lebende, indischstämmige Ganavya Doraiswamy singend hinter ihm hergeht. Es mutet wie ein Ritual an, mit dem die beiden das Schiff auf das bevorstehende Ereignis einstimmen. Sie begleiten die MS RheinFantasie auf ihrer Fahrt nach Monheim am Rhein, wo vergangenen Sommer die Werkstattausgabe der dortigen Triennale, „The Prequel“, stattgefunden hat.
Für Ismaily ist es der zweite Besuch in dieser Stadt am rechten Rheinufer unweit von Düsseldorf. Für Doraiswamy ist Monheim aber tatsächlich Terra incognita. Ismaily weiß, was sie dort erwarten wird: drei Tage und Nächte, die sie mit weiteren „Signature Artists“ verbringen werden – mit Proben, Spielen und Konzerten, mit Gesprächen und Diskussionen, zum Teil öffentlich vor Publikum. Shazhad erläutert Ganavya, dass das Schiff, auf dem sie grade sind, in Monheim anlegen und zum Konzertraum wird: mit einer großen Bühne unter und einem Open-Air-DJ-Floor auf Deck. Als Ismaily von Bord geht, erklärt er noch rasch, welche Rolle ihm bei diesem Festival zugedacht zu sein scheint: „Vielleicht gebe ich in gewisser Weise den Ton an oder bewahre die Erfahrung anderer Menschen.“
„The Prequel“ hat der finnische Regisseur Mika Kaurismäki mit der Kamera begleitet. Die Bilder, Interviews und Konzertmitschnitte hat er nun zu einer Doku montiert und als „Every Note You Play“ fertig gestellt. In den 82 Minuten erzählt er auch die Genese dieses Festivals der musikalischen Avantgarde – wie es dazu kam, dass der Bürgermeister dieser kleinen Stadt, Daniel Zimmermann, auf den einstigen künstlerischen Leiter des Kölner Stadtgartens, Reiner Michalke, zukam und ihn bat, für sein Monheim ein Musikfestival zu organisieren. Wie sich beide Partner näher kamen, um dann (aus der Not der Corona-Pandemie heraus) nicht nur ein alle drei Jahre stattfindendes Festival auf die Beine zu stellen, sondern auch mit „The Prequel“ das vorbereitende Werkstatttreffen der Künstler/-innen zu veranstalten und den Triennale-Turnus mit „The Sound“ im dritten Jahr zu beschließen.
Darius Jones (Foto: Niclas Weber)Kaurismäki hat so gut wie jede und jeden der 16 „Signature Artists“ gesprochen – den Trompeter Peter Evans ebenso wie die Posaunistin Shannon Barnett, die Sängerin Julia Úlehla, die Backpipe-Spielerin Brìghde Chaimbeul, den Schlagzeuger Ludwig Wandinger, den Saxofonisten Darius Jones oder die Elektronikerin Anoushka Chkheidze. Aus ihren Aussagen über das, was sie als Künstler/-innen antreibt und wofür ihre Kunst steht, ergibt sich ein vielschichtig grundiertes Bild einer aktuellen, gleichermaßen zeitgenössischen wie zeitlosen Musik, die längst die Grenzen zwischen „E“ und „U“ hinter sich gelassen hat. Sicherlich ist Improvisation bei jeder und jedem von Bedeutung, aber nur darauf beschränken lässt sich keine/-r der „Signature Artists“.
Die 82 Minuten von „Every Note You Play“ zeigen auch, wie diese Künstler/-innen von überall her Monheim und seine Bewohner/-innen kennenlernen. Wie sie durch die Stadt schlendern und auf die Menschen zugehen, wie sie mit ihnen sprechen, ihre Kunst und Musik erläutern und ihnen diese nahebringen. Und wie wichtig kulturelle Bildung für Monheim ist. Dass das kein Lippenbekenntnis des Bürgermeisters ist, zeigt sich in den Szenen des Films, wenn yunyia edi kwon mit dem Triennale-Residenzler Achim Tang und Jugendlichen aus Monheim ein Stück einstudiert: wie konzentriert alle Beteiligten bei der Sache sind und sich an der sich entwickelnden Musik regelrecht erfreuen.
Anfang Juni gibt es Preview-Vorführungen dieser Musik-Doku: am 2. Juni im Hamburger 3001 Kino, am 3. Juni im Berliner Sputnik Kino, am 4. Juni im Kölner Filmhaus und am 5. Juni im Monheimer Emotion Kino, bevor „Every Note You Play“ ab dem 26. Juni in ausgewählten Kinos in Deutschland anläuft und im Spätsommer im Programm des deutsch-französischen Kulturkanals ARTE gezeigt wird. Die Festivalausgabe der Monheim Triennale findet dieses Jahr vom 2. bis 6. Juli statt.
Weiterführende Links
Monheim Triennale II – The Festival