viral/postviral: Neuer Text aus New York

Sweet LouSweet LouDie Situation in New York hat sich dramatisch zugespitzt. Natürlich steht diese Metropole an der amerikanischen Ostküste auch im Mittelpunkt der Proteste nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd am 25. Mai durch die Polizei, gleichzeitig ist die Stadt noch immer fest im Griff der Corona-Pandemie und des Lockdown. „Mittlerweile ist es Juni und mir wird bewusst, wie wenig ich dieses Land verstehe, in dem ich seit mehr als zehn Jahren lebe“, so der deutsche Saxofonist Tobias Meinhart im dritten Text, „New York im tiefen Tal“, für unseren Blog „viral/postviral“. „Seit gestern Abend gilt eine strikte Ausgangssperre von 20 Uhr bis 5 Uhr morgens für ganz New York City. Es ist die erste Ausgangssperre in New York seit dem zweiten Weltkrieg – genauer gesagt: seit 75 Jahren. Helikopter kreisen ohne Unterbrechung, Feuerwerkskörper knallen durch die Straßen, Mülleimer brennen – während tausende Menschen gegen die unsägliche Polizeigewalt an Afroamerikanern protestieren.“

Deshalb hat sich Meinhart in New York umgehört, wie man mit dieser aufgeheizten Situation umgeht. Zum Beispiel erzählt der Schlagzeuger Obed Calvaire: „Vor ein paar Jahren war ich auf Tour in Deutschland. Eines Morgens sind wir am Bahnhof und dieser riesige, betrunkene Typ macht Ärger. Vier Polizisten mit Hund sind vor Ort, davon schafft es der kleinste Polizist, den Mann mit einem Handgriff in zwei Sekunden zu überwältigen. Ohne Gewalt. Hier hätten die Polizisten wahrscheinlich schon längst geschossen.“ Seinen einstigen Lehrer Joe Lovano fragt Meinhart wiederum, welche Erfahrungen er aus dem Lockdown zieht: „Es gab viele einschneidende Momente in der Menschheitsgeschichte“, erläutert der Saxofonist, „und genau so einen Moment erleben wir jetzt. Während der Bürgerrechtsbewegung in den 1960er-Jahren oder während des Zweiten Weltkriegs ist prägende Musik entstanden.“

Die in der Nähe von New York lebende Trompeterin Ingrid Jensen fordert wiederum: „Nehmt euch Zeit! Nutzt diesen historischen Moment als Pause, um tief zu reflektieren und unterhaltet euch enger mit Familie und Freunden.“ Und der Betreiber der auf Jazz spezialisierten PR-Agentur „Two For The Show Media“, Chris DiGirolamo, prognostiziert: „Ich sehe viele kreative und positive Veränderungen, die eintreten werden. Es gibt immer Dunkelheit und manchmal Angst, bevor man das Licht sieht. Dem Jazz wird es gut gehen, wir müssen uns nur ein paarmal abstauben und das Gute sehen.“

Weiterführende Links
„New York im tiefen Tal“

Text
Martin Laurentius
Foto
Mariana Meraz

Veröffentlicht am unter News

Bezau Beatz