Preis für Deutschen Jazzjournalismus: Stefan Hentz

Stefan HentzStefan HentzVon Martin Laurentius
Im Grunde hätten Stefan Hentz und ich uns schon viel früher persönlich kennenlernen können. Etwa Anfang der 1980er-Jahre: Stephan Lamby, der wie ich in Bonn groß geworden ist, Saxofon spielte und zum Studieren nach Marburg gezogen war, wollte mit seiner Marburger Band ein „illegales“ Konzert in seiner alten Heimatstadt spielen. Das sagte jedenfalls ein Gerücht, das unter uns musikbegeisterten Teenagern in Bonn die Runde machte. So zogen wir irgendwann des Nächtens hoch auf eine Lichtung im Kottenforster Wald oberhalb von Bonn, um dabei zu sein, wenn Lamby mit Kling Klong das Konzert gab. Wir im Publikum waren ganz aufgeregt und auch nervös, weil dieser Auftritt nicht offiziell angemeldet war und jederzeit durch die Polizei aufgelöst werden konnte.

An die Musik kann ich mich heute nur noch schwach erinnern. Es wird so etwas wie der damals populäre „NoWave“ gewesen sein, eine im Fall von Kling Klong wahrscheinlich kraut-rockende Jazz-Fusion. Meine Erinnerung daran wird jedenfalls überlagert durch das Bild, das sich uns Jugendlichen im Kottenforster Wald bot: durch das Zwielicht der flackernden Fackeln auf und vor der Bühne und das laute Brummen des Stromgenerators. Auf der Bühne stand jedenfalls ein Gitarrist, eher klein von Statur, langhaarig und wohl auch spitzbärtig: Das war Stefan Hentz. Ach ja: Lamby ist heute ein bekannter, politischer Filmemacher, der zurzeit, zumindest indirekt, auch auf seine musikalische Vergangenheit zurückgreift, weil er eine Doku über den Klarinettisten Rolf Kühn dreht, die im Herbst auf 3sat ausgestrahlt werden soll.

Dass wir punktuell eine gemeinsame Geschichte haben, stellten Stefan und ich aber erst vor drei oder vier Jahren fest. Persönlich kennengelernt haben wir uns vor zwölf Jahren, als Musikjournalisten wohlgemerkt. Seitdem ist eine tiefe Freundschaft zwischen uns entstanden, wir arbeiten häufig eng auf einer kollegialen Ebene miteinander. Aber fasziniert bin ich von den stets packenden Gesprächen, die ich mit Stefan oft und gerne führe – über Musik, aber auch über viele andere Themen. Ich schätze diese Dringlichkeit in seiner Argumentation, seine Fähigkeit zum Perspektivwechsel ebenso wie seine unverbrüchliche Standhaftigkeit und seinen leisen, hintersinnigen Humor. All diese Eigenschaften – und noch einige mehr – kennzeichnen natürlich auch Stefans Arbeit als Musikjournalist seit 30 Jahren.

Als ich Anfang dieses Jahres als zu der Zeit noch aktueller Preisträger in die Jury für den „Preis für Deutschen Jazzjournalismus“ berufen wurde, stand der Name Stefan Hentz ganz oben auf meiner Liste. In der alles entscheidenden Telefonkonferenz mit meiner Bremer Kollegin Eva Garthe und der Weinheimer Pianistin Anke Helfrich brauchte ich mich aber überraschenderweise gar nicht für ihn einzusetzen. Eva übernahm diese Aufgabe mit Bravour und zählte in ihrer „Lobrede“ alle von Stefans Eigenschaften auf, die ich auch auf meiner Liste hatte. Ich musste nur noch ein oder zwei Anekdoten hinzufügen, dann war klar, dass Stefan 2019 mit dem „Preis für Deutschen Jazzjournalismus“ ausgezeichnet wird.

Deshalb hielt dann am 27. April auf der jazzahead! in Bremen nicht ich die Laudatio auf meinen Freund, sondern Eva. Ihre Rede war eine tatsächlich im besten Sinne Würdigung des Menschen und Musikjournalisten Stefan Hentz, dem es bis heute immer wieder (oder immer noch?) gelingt, Jazz und improvisierte Musik in die Feuilletons bedeutender, überregionaler Tages- und Wochenzeitungen wie etwa „Die Zeit“ oder die „Neue Zürcher Zeitung“ zu bringen. „Stefan Hentz ist einer der Journalisten, die wirklich in ihrem Element scheinen, wenn sie alleine vor dem Computer an ihren Texten feilen, versunken in der Welt der Sprache“, sagte Eva zum Beispiel – und fügte hinzu: „Dann aber auch wieder mitten in der Szene: im Jazzclub, auf dem Festival. Ein Stück weit sicherlich ein Einzelkämpfer – wie die meisten freien Journalisten. Und das ,FREI‘ ist bei ihm wirklich groß geschrieben.“ Sie fasste am Schluss zusammen: „Mit Hingabe und Konsequenz hat er sich dem Jazzjournalismus verschrieben. Und er geht diesen Weg bis heute mit einer Kompromisslosigkeit, die große Achtung verdient. Und vor allem ist er ein Leidenschaftstäter, einer, der für den Jazz brennt.“ Der „Preis für Deutschen Jazzjournalismus“ wird alle zwei Jahre vergeben und durch die Hamburger „Dr. E.A. Langner Stiftung“ mit 5.000 Euro ausgestattet. Die Fachmesse jazzahead! verleiht diesen Preis zusammen mit der Spielstätte Sendesaal Bremen im Rahmen der „German Jazz Expo“.

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Martin Laurentius
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M3B GmbH/Frank Thomas Koch

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