Tobias Meinhart Quartett

Kreativurlaub mit Meerblick

Jazz thing Next Generation Vol. 39

Vier junge Männer aus Bayern relaxen auf einer Insel am Mittelmeer. Nein, nicht das Übliche. Statt Ballermannparty ein freier Raum zur Sichtung gemeinsamer musikalischer Konzepte auf der Insel Elba. Mit einem Ergebnis, das um Jahre reifer klingt, als deren Urheber um den Saxofonisten Tobias Meinhart jung sind. Die sind gerade mal zwischen 21 und knapp 30 und entsprechen damit ziemlich genau der Altersstatistik der JTNG-Reihe.

Tobias Meinhart Quartett - Pursuit Of HappinessEigentlich hätte das Telefongespräch nach New York arrangiert werden sollen, doch der Mann, der dem Tobias Meinhart Quartett seinen Namen gegeben hat, ist kürzlich wieder zurück über den Teich geflogen. Arbeit wartet auf den Saxofonisten, denn für sein Debüt in der JTNG-Reihe bereitet er die Tour vor. Hektische Zeiten? Die Musik seiner Band klingt alles andere als nervös – cool, gelassen, souverän. Sie haben den Bop studiert, die ganze Geschichte, und sind darüber zu einem kraftvollen Klangkörper gereift. Dieses Quartett beherrscht die Gabe, ein Stück auch mal ganz ruhig ausklingen zu lassen, ohne dass ein Tonmeister die Regler runterschraubt. Ein paar Termine hat Meinhart schon zusammen für den Herbst. Zwischendurch geht es wieder nach New York. Eigentlich will ja jeder junge Jazzer mal dahin.

„Es ist einfach unglaublich, wieviel an Jazz und Musikern man dort trifft, ganz anders als Basel, wo ich bisher hauptsächlich studiert habe, wo die Szene viel kleiner ist. Und dann sind da so viele Vorbilder – Seamus Blake, Chris Cheek, John Ellis. Man kann bei ihnen Unterricht nehmen, sie jeden Abend in einem Club hören, vielleicht mit ihnen jammen“,

erzählt Meinhart begeistert, zählt die Länder auf, aus denen junge Kollegen es ihm gleichgetan haben und in den Big Apple gegangen sind. Erwähnt die Trompeterin Ingrid Jensen, die ihm beim Start drüben geholfen hat, betont, dass es auch Vorteile hat, wenn es wie in Basel überschaubar ist. Nur, da kann man nicht so viel spielen wie in New York.

Die Wurzeln von Tobias Meinharts musikalischem Lebenslauf liegen in der Familie.

„Mein Großvater ist Kontrabassist, er spielt Klassik und Jazz. Über ihn bin ich zur Musik gekommen, habe zuerst Schlagzeug gespielt, mit 13 dann Saxofon, alles zunächst als Hobby.“

Tobias Meinhardt QuartettEin paar Jahre später ging Meinhart als Roadie mit dem Bob Brookmeyer Orchestra auf Tour nach Portugal. „Das war die Initialzündung“, sagt er. „Ab da habe ich ziemlich Gas gegeben.“ Im Studium in Basel mit Ausflug nach Amsterdam und nun an der Aaron Copland School in New York hat er sein Spiel entwickelt; als besondere Einflüsse nennt Meinhart Stan Getz und Sonny Rollins, wichtig sind auch Johannes Enders als Lehrer und einer in Basel:

„Domenic Landolf, einer der herausragendsten und leider einer der unterschätzten Tenorsaxofonisten Europas. Ich übertreibe nicht, er ist unglaublich!“

Und in diesem Zusammenhang erwähnt er auch den Pianisten seines Quartetts.

„Den Lorenz kenne ich schon sehr lange. Der war etwa zwölf Jahre alt, als er in die Big Band kam, wo ich spielte. Er hat damals schon gespielt wie Oscar Peterson, ein ganz junges Talent. Wir sind damals viel zusammen rumgehangen, haben Platten gehört und musiziert.“

Und hörbar stolz berichtet Meinhart, dass Lorenz Kellhuber inzwischen das Studium in Berlin abgeschlossen hat. Mit 16 war er der jüngste Student in der Geschichte der Hochschule der Künste. Die älteren Kollegen Bassist Oli Hein und Drummer Gabriel Hahn haben längst ihre Plätze gefunden, Hein in vielen Münchner Ensembles wie dem Harald Rüschenbaum Jazz Orchestra und Gabriel Hahn unter anderem bei den New York Voices.

Im Frühjahr 2008 haben die vier das Quartett gegründet, seitdem hat das TMQ – so nennen sie es auch – neben vielen Clubs diverse große Festivals bereist, darunter Jazz an der Donau, das Jazzfestival Basel, das Getxo in Bilbao, wo die Band sich den „Audience Award For Best Group“ erspielte. Ein Stipendium ermöglichte der Band einen zehntägigen Aufenthalt auf Elba.

„Wir hatten da einen Koch und einen superschönen Überaum direkt über dem Meer. Jeden Tag haben wir dort an unseren Kompositionen gearbeitet. Ich denke, dass uns die Ruhe dort sehr beeinflusst hat“, meint der Saxofonist zur Atmosphäre, welche das Debüt des TMQ ausstrahlt. „Zum anderen wollten wir aber auch ein einheitliches Werk herausbringen; es sollte in sich stimmig sein und eher ruhig.“

Die acht Stücke auf „Pursuit Of Happiness“ (DoubleMoon/Challenge) wirken in der Tat wie aus einer Hand geschaffen, und doch hat jeder der vier Musiker eigene Kompositionen beigesteuert. „Es ist zwar meine Band; ich habe die Leute zusammengeholt und organisiere das Drumherum, aber musikalisch ist es total demokratisch. Wir beeinflussen uns sehr.“

Ob es eine „eher freie Komposition von Gabriel ist“, ein in Sachen Harmonien eher komplexes Werk von Kellhuber oder Heins melodisch swingender Bass in dessen lyrischer „Winter Voyage“ – der Namensgeber des TMQ ist in jeder Hinsicht zufrieden. „Ich bin glücklich mit dieser Band. Wir verstehen uns blind, machen auch außerhalb der Musik viel miteinander.“ Vielleicht ist da ein Teil vom Titel des Albums bereits Realität geworden. Auch wenn Tobias Meinhart demnächst wieder mal nach New York geht. Da hat ihm übrigens der Pianist Aaron Goldberg einen Ratschlag gegeben: „Only play what you hear!“

Text
Uli Lemke

Veröffentlicht am unter 90, Heft, Next Generation

Deutscher Jazzpreis 2024