Joscha Arnold Quintet

Berge, Seen, Wälder

Das beschauliche Weilheim in Oberbayern wird nicht nur wegen der schönen Natur drumherum gerühmt. Seit Langem steht die Kleinstadt bekanntlich auch als Geburtsort angesagter Bands und Musiker im Fokus, und mit dem Gitarristen Max Frankl empfahl sich ein Sohn der Gemeinde bereits als Debütant in unserer Reihe. Nun folgt Joscha Arnold mit seinem Quintett. Und darin steckt noch ein zweiter Mann aus Weilheim. In der Nummer 53 der „Jazz thing Next Generation“ wohnt echte Heimatliebe.

Joscha Arnold Quintett – Twist (Cover)„Nein, eine richtig große Musikszene gibt es nicht in Weilheim. Da muss man schon selber was losmachen“, befindet Joscha Arnold. Johannes Enders, die Acher-Brüder, Martin Gretschmann, Max Frankl und andere Musiker aus der Stadt haben angesagte Bands ins Leben gerufen und Karriere gemacht, und wenn The Notwist mal in München spielen, reist die halbe Weilheimer Jugend an. Das ist es aber auch schon, sagt Arnold. Aber: Sie haben da in Weilheim ein Gymnasium und dort gibt es seit 1986 eine Bigband. Johannes Enders hat dort gespielt, Max Frankl, Paolo Thorsen-Nagel …

„Meine Eltern haben mich schon ganz früh mitgenommen auf Konzerte, es gab da eine Jazznacht in Weilheim. Das Erste, was mich richtig packte, das war der Sound der Bigband. Als ich aufs Gymnasium kam, ging ich natürlich zur Bigband. Da habe ich dann auch Max Frankl erlebt und mitgekriegt, wie er das alles so macht. Und Sevi. Der war auch schon dort, er war ein Jahr über mir.“

Sevi, das ist der Schlagzeuger Severin Rauch.

Joscha ArnoldUnterricht bei Johannes Enders, Mitarbeit im Landesjugendjazzorchester, Teilnahme an Wettbewerben. Natürlich sind über die Musik in der Bigband des Gymnasiums Freundschaften entstanden. „Nach der Schule beschlossen dann einige von uns, Musik zu studieren. Sevi ging nach Amsterdam.“ Auch aus dieser Schülerblase des Weilheimer Gymnasiums stammt übrigens Gitarrist Paolo Thorsen-Nagel, der kürzlich sein erstes Album veröffentlichte. „Max Frankl hatte ihm und mir einige Dozenten in Basel empfohlen; also nahm ich das Studium bei Domenic Landolf auf. Mit Sevi blieb ich natürlich in Kontakt.“

Während des Studiums befasste sich der Saxofonist in zunehmendem Maße mit Komposition und gründete in Basel eine Band, „man braucht ja eine für den Bachelor oder den Master. Es hat dann so gut gefunkt mit der Band, dass wir zusammengeblieben sind.“ Den Gitarristen Sebastian Scheipers hatte Arnold öfter auf Konzerten gehört, man kam ins Gespräch, fand Gemeinsamkeiten im musikalischen Geschmack – Radiohead zum Beispiel. Über Severin Rauch stieß der Pianist Florian Favre hinzu und in Basel lernte Joscha Arnold auch den Kontrabassisten Yannick Tinguely kennen, wie Favre ein Eidgenosse.

Für sein Quintett schrieb der Tenorsaxofonist etliche Kompositionen, von denen neun nun auf „Twist“ (Double Moon/New Arts Intl.) zu hören sind. Den ersten Einfluss, die große Inspiration bezieht Joscha Arnold für seine Stücke aus der Natur, aus der Gegend seiner Heimat.

„Es ist hier sehr schön, mit all den vielen Seen, Wäldern und den Bergen. Man bekommt das kostenlos. Als ich in Basel war und ein Jahr in Leipzig, da habe ich das alles ziemlich vermisst. Dann bezieht man natürlich Ideen aus Sessions und Konzerten, nicht nur Jazz im klassischen Sinn, sondern auch moderne Sounds. Ich schätze Künstler, die ihren eigenen Sound kreieren wie Björk, Radiohead oder das Berliner Elektroduo Moderat.“

Am Klavier entsteht der Großteil der musikalischen Entwürfe, mal probiert Arnold auch an der Gitarre etwas aus. „Und ich denke natürlich an die Musiker, mit denen ich das Stück spielen will – das hilft enorm beim Ausbau der musikalischen Ideen.“ Dabei kann Arnold auf ein beachtliches Potenzial zurückgreifen, zumal seinem Fünfer keine Schublade fremd ist oder gar mit einem Veto belegt wäre. So entwickeln Klavier und Gitarre aus einem innig verzahnten Miteinander einen leichthändigen Übergang zu den schroffen Tönen des Saxofons, für wuchtige Beats der Combo haut Sebastian Scheipers rockig verzerrte Sounds aus seinem Brett heraus. „Raumschiff“ lautet der treffende Titel für eine Soundscape, wo alles in sich zusammenstürzt und „dann kommt ein Teil, wo du schwerelos am Seil hängst“. Bodenhaftung bekommt der Hörer wenig später mit kraftvoll-klaren Bildern und sphärischen Zwischentönen, für die Arnold nicht umsonst den Titel „Das Blaue Land“ gewählt hat.

Längst ist das Studium beendet und die fünf Mitglieder des Quintetts sind in verschiedene Städte verstreut. Der Bassist lebt in Berlin, Favre in Fribourg und Scheipers in Freiburg. Drummer Severin Rauch und Joscha Arnold hat es wieder in die alte Heimat gezogen, beide leben in einer WG in Weilheim. „Wir sind als Dozenten am Gymnasium tätig und helfen unserem alten Bigband-Leader ein wenig“, sagt Arnold. Es muss etwas ganz Besonderes sein, dieses Gymnasium, oder? „Und es ist noch nicht mal ein musisches Gymnasium. Das ist schon bemerkenswert.“

Text
Uli Lemke

Veröffentlicht am unter 104, Heft, Next Generation

Deutscher Jazzpreis 2025