RIP: Wolfgang Hirschmann

Wolfgang HirschmannWolfgang HirschmannNach unserem Gespräch im WDR-Funkhaus in Köln 2007 über seine Jahre mit der WDR Big Band gehen wir noch auf einen Kaffee rüber ins „Campi“, einem Bistro in der ehemaligen Kantine des Westdeutschen Rundfunks. Dort trifft Wolfgang Hirschmann seinen Freund und Weggefährten Gigi Campi, dem dieses Bistro gehört. Die beiden kennen sich seit der Zeit, als Campi als Jazz-Impresario die Aufnahmen mit einem Oktett um den Afroamerikaner Kenny Clarke (Drums) und dem Belgier Francy Boland (Piano) produzierte, aus dem kurz darauf die Kenny Clarke/Francy Boland Big Band hervorging. Für diese erste Studiosession hatte sich Campi die Mitarbeit des noch jungen Tonmeisters Hirschmann gesichert, der hinter dem Mischpult sitzend für den transparenten Klang verantwortlich zeichnete. Auch darüber unterhalten sich die beiden Jahrzehnte später im „Campi“. Man konnte sich zurücklehnen und bekam lebendige Jazzgeschichte geboten – „Oral History“ halt.

Hirschmann, 1937 in Breslau geboren, absolvierte nach dem Abitur eine Tonmeister-Ausbildung. 1958 begann er in Köln für die Electrola zu arbeiten, machte unter anderem Aufnahmen mit den Feetwarmers von Klaus Doldinger und saß am Mischpult für die EP „Holiday In Europe“ von Rolf Kühn. Danach begann die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Campi. Gemeinsam verantworteten sie nahezu alle Alben der Clarke/Boland Big Band und vieler Musiker dieses Orchesters: Campi zumeist als Manager und Produzent, Hirschmann als Tonmeister. Zudem arbeitete Hirschmann für Kurt Edelhagen und nahm Werke von Komponisten der Neuen Musik auf – wie zum Beispiel von Mauricio Kagel, Karlheinz Stockhausen und Friedrich Gulda.

Zusammen mit Heinz Gietz startete er 1969 die legendären Cornet Studios in Köln-Junkersdorf. Dort entstanden viele auch kommerziell erfolgreiche Produktionen – angefangen vom Karnevalslied „Ne Besuch em Zoo“ 1969 über Hits von Peter Alexander oder Caterina Valente bis hin zu Produktionen mit den Bläck Fööss oder Udo Lindenberg. Jazz blieb aber weiterhin sein Steckenpferd und er arbeitete in den Cornet Studios zum Beispiel mit Stan Getz, Peter Herbolzheimer oder Francis Coppieters.

Mitte der 1980er-Jahre kam Hirschmanns Wechsel zum WDR, wo er die Bigband aufbauen und erst als Tonmeister, später als Manager und Produzent leiten sollte. Damals standen in Köln die Zeichen auf Neubeginn. Das Orchester Kurt Edelhagen hatte sich wenige Jahre zuvor aufgelöst, die WDR Media Band gab es ebenfalls nicht mehr. Der Vertrag mit Werner Müller, der das WDR Tanzorchester leitete, lief 1984 aus, als Nachfolger war der holländische Arrangeur und Komponist Jerry van Rooyen vorgesehen. „Ein Programm-Konzept für eine Rundfunk-Bigband war damals nicht vorhanden“, erinnerte sich Hirschmann 2007, „und einen Einschnitt, wie er geplant war, konnte man nicht aIlein durchsetzen.“ Zu der Zeit gab es an der Kölner Musikhochschule sogenannte Jazzworkshops. Dabei kam eine Formation zum Einsatz, die mit Mitgliedern dieses Tanzorchesters besetzt war, ergänzt durch Musiker der beiden aufgelösten Bands. Diese Formation sollte wenig später zur WDR Big Band werden, von Hirschmann und van Rooyen als Dirigent geleitet.

Im WDR gab es von da an ein Jazzorchester mit Musikern (bis zum Einstieg von Karolina Strassmayer 2004 war die Besetzung ein reiner Männerclub), die fest angestellt waren und immer am gleichen Ort probten und spielten. Damit sich unter diesen Bedingungen effizient arbeiten ließ, die Bigband auf einem strukturell eindeutig definierten Fundament stand und dennoch stilistisch offen war und musikalisch variabel spielte, entwickelte Hirschmann ein einmaliges Konzept: „Die Möglichkeit der täglichen Zusammenarbeit als Chance zu nutzen, dass neben der für jeden Jazzmusiker selbstverständlichen solistischen Arbeit großer Wert auf ein perfektes Ensemblespiel gelegt wurde, um eine Basis zu schaffen, die weltweit Beachtung fand. Um den ständigen Erfahrungsaustausch mit anderen Musikern anzuregen, lud ich internationale Gastsolisten und Arrangeure ein, die durch ihre Zusammenarbeit die Musiker des Orchesters so gut kennenlernten und ihnen ihre Projekte deshalb auf den Leib schneidern konnten.“

Bis zu seiner Pensionierung 2002 wurde das zum Erfolgsrezept der WDR Big Band und legte den Grundstein für den auch internationalen Erfolg das Jazzorchesters dieser öffentlich-rechtlichen ARD-Anstalt, unter anderem mit dem Gewinn von zwei Grammys 2007 und 2008. 2014 wurde Hirschmann vom Verband Deutscher Tonmeister/-innen geehrt, zu seinem 80. Geburtstag erschien eine Festschrift über sein Lebenswerk. Wie kürzlich bekannt wurde, ist Wolfgang Hirschmann am 12. April 88-jährig in Köln gestorben. Am 25. Mai (sic!) bringt das Kulturradio WDR 3 ab 20:03 Uhr eine dreistündige Konzertsendung über Hirschmann.

Text
Martin Laurentius
Foto
Ines Kaiser/WDR

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