RIP: Sven Åke Johansson
Sven Åke JohanssonDas Absurde war es, was den Schlagzeuger, Komponisten, Performance-Künstler und Improvisator Sven Åke Johansson faszinierte. Um gängige Vorstellungen von Jazz zu hinterfragen und durch seine von ihm entwickelte Aufführungspraxis neu zu denken, erfand er sein Alter Ego: eine Kunstfigur mit braunem Anzug, Krawatte und stets mit Hut. Aufrecht, gerade, mit unbewegtem Gesicht. Etwa wenn er sein „Konzert für 15 Handfeuerlöscher“ dirigierte, wie beim Jazzfest Berlin 2022, sein „Konzert für 12 Traktoren“, das „Telefonbuchstück“, wie bei der Ausstellung „Broken Music Vol. 2_Live“ im Berliner Museum Hamburger Bahnhof 2023 oder zuletzt bei der Eröffnung der neuen Räume von FMP und des Wolke Verlags vor wenigen Wochen. Dem Fluxus-Gedanken folgend, der von Künstlern wie Nam June Paik und der Galerie Parnass in Wuppertal vertreten wurde, den herkömmlichen Kunstbegriff und einen konzeptuellen Ansatz von Minimal Music und Performance infrage stellend.
Der 1943 im schwedischen Mariestadt geborene Musiker, Komponist, Autor mehrerer Text- und Gedichtbände sowie bildender Künstler soll, so die Erinnerung Peter Brötzmanns, auf einem kleinen Moped Mitte der 1960er-Jahre aus Schweden nach Wuppertal gekommen sein. Er hatte dort in Tanzbands gespielt, aber die beginnende deutsche Free-Jazz-Szene, Fluxus und der Beuys’sche Gedanke der „Sozialen Plastik“ als gesellschaftskritischer Kunst korrespondierten mit seinen eigenen Vorstellungen eines neu gedachten Kunstbegriffs.
Johansson spielte im ersten Globe Unity Orchestra von Alexander von Schlippenbach und auf Brötzmanns Album „Machine Gun“. Ab 1968 lebte er in Berlin und gründete seine Formation Moderne Nordeuropäische Dorfmusik und begann, im Zodiak Free Arts Lab mit Elektronik und verschiedenen Materialien zur Klangerzeugung zu experimentieren. Sein konzeptueller Ansatz war, wie er der Autorin im Interview sagte, durch das Visuelle den Ton zum Klingen zu bringen – etwa wenn er anstelle von Drumsticks Salatgurken verwende oder die klingenden Becken durch Schaumstoff substituiere. Damit, so Johansson, hinterfrage er die Vorstellung des Instruments und auch von sich selbst als „Batterist“.
2020 spielte er in Schweden mit Kim Gordon und Sonic Youth und immer wieder auch im Umfeld Improvisierter und Neuer Musik, in großen Institutionen und Museen, aber auch in den Clubs der Berliner Echtzeitmusik. In seinem Studio hingen Zeichnungen von Künstlerfreunden wie Bernd Koberling, Albert Oehlen und Martin Kippenberger, aber auch ein Ölbild einer schwedischen Winterlandschaft, gemalt von seiner Tante: eine verschneite Baumallee neben brach liegenden Feldern. Erinnerungen, die den großen Innovator und Impulsgeber seit seinem Aufbruch in die Welt der Kunst und des Free Jazz begleiteten. Am 15. Juni starb Sven Åke Johansson 82-jährig in Berlin.
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