Loyle Carner

Keine Zeit!

Der Londoner Rapper Benjamin Coyle-Larner aka Loyle Carner ist über die Zeit der Pandemie erwachsen geworden. Oder anders gesagt: wurde er Vater. Damit veränderte sich nicht nur sein Alltag um 180 Grad: Auch seine Herangehensweise an Texte und Musik wurde direkter, lauter und konkreter.

Loyle Carner (Universal Music)

Sein nun drittes Album „Hugo“ (EMI/Universal) entstand zum einen in Zusammenarbeit mit einigen mittlerweile bekannten Young Cats aus London wie Schlagzeuger Richard Spaven, Rocco Palladino am Bass und Jordan Rakei an den Keyboards und auf der anderen Seite auch mal mit den Beats von Madlib. Letzterer trug mit seinem typisch samplebasierten Layout zu einem der herausragenden Stücke des Albums bei: „Georgetown“, das auf Seiten des Textes wiederum von Carners Lieblings­poeten Jon Agard inspiriert ist.

Explosiv, etwas verstörend und doch direkt hineinziehend beginnt das ­Album mit „Hate“, in dem der 28-Jährige mal eben herunterbricht, was er alles nicht mag oder mit welchen Umständen er Probleme hat. „I hate time, I fucking hate time“ heißt es darin.

„Höchstwahrscheinlich schrieb ich das, während meine Freundin schwanger war und ich dann schließlich ­Vater wurde. Ich trauerte meiner Jugend nach: Ich hasse es, älter zu werden. In dem bestimmten Moment meines Lebens stand ich also in der Schwingtür zwischen ‚Hey, noch jung genug, um rebellisch zu sein und darauf scheißen, was andere denken, und der plötzlichen Verantwortung, die mit dem Tag der Geburt in dein Leben kommt.‘“

Und Zeit?

„Ja, Zeit wird der größte Killer: Plötzlich hast du keine Zeit mehr, deine Freunde zu sehen! Aber das Schöne am Leben ist trotzdem, dass du nicht stehenbleiben kannst.“

Und immer weitergehen wirst. Zwanzig Jahre nach den Soulquarians rund um D‘Angelo, Amir Thompson und J Dilla ist nun die Generation am Start, die genau von dieser Zeit beeinflusst und tief inspiriert ist. Anders als bei den beiden Vorgängeralben, die eher mit Beatproduzenten entstanden, achtete Carner nun zu gleichen Teilen auf Texte und Musik, mit Musikern und Beatproduzenten im Studio:

„Es ging darum, in einem Raum zu sein und den Kern einer Idee zu finden – und etwas entstehen zu lassen, was nicht nebenbei gehört werden kann.“

So wie Kendrick Lamars Alben. Oder „Californication“ der Red Hot Chili Peppers. An großen Vorbildern mangelt es nicht bei Loyle Carner. Nun ist er auf dem besten Weg, selbst ein Vorbild zu werden.

Text
Michael Rütten
Foto
Universal Music

Veröffentlicht am unter 146, Feature, Heft

GESOBAU Jazz&Soul Award 2024