Lisbeth Quartett

Status: Unterwegs

Seit nunmehr acht Jahren gibt es diese Band, deren eine Hälfte in der alten Heimat Berlin residiert, während die andere seit einiger Zeit in New York lebt. Die Distanzen zwischen den Metropolen haben dem Lisbeth Quartett keineswegs geschadet – im Gegenteil. Die Vertrautheit dieser vier Musiker atmet aus jeder Note ihres neuen Albums. Man ist zusammengewachsen, mehr denn je.

Lisbeth Quartett (Foto: Annika Nagel)

Wieder mal ist ein Anruf nach Brooklyn fällig, um über ein neues Werk des Lisbeth Quartetts zu sprechen. Für Charlotte Greve ist die Pendelei zwischen den USA und Deutschland längst zum Alltag geworden. Die Saxofonistin war im Februar in Berlin, um mit der Band zu arbeiten, der sie ihren zweiten Vornamen gegeben hat. Jetzt ist sie wieder zurück in New York. Auch Pianist Manuel Schmiedel lebt seit einigen Jahren in Brooklyn, während Bassist Marc Muellbauer und Drummer Moritz Baumgärtner weiterhin von der deutschen Hauptstadt aus arbeiten.

Im November wird das Lisbeth Quartett in hiesigen Gefilden unterwegs sein, um sein neues Album vorzustellen. „There Is Only Make“ (Traumton/Indigo) heißt es, nach einem Motto aus den „10 rules for students and teachers“ der Nonne Corita Kent – Regeln, die John Cage einst mit großer Begeisterung popularisierte.

„Ich hatte das immer auf meinem Desktop, weil ich es so inspirierend fand“, erzählt Charlotte Greve. „Eigentlich alle zehn Regeln. Sie haben mir in meinem Freelance-Dasein geholfen, mich zu strukturieren: ein Ziel vor den Augen zu haben. Immer auf der Suche bleiben, Neues für einen selber entdecken und es mit allen teilen. Weiterentwickeln, was man schon hat, und Neues hinzuaddieren. Deshalb mag ich diesen kurzen Satz ‚There Is Only Make‘. So schön und klar, fast ein bisschen naiv, aber auf eine positive Art und Weise.“

Vor zwei Jahren brachte das Quartett ein Live-Album heraus, das nur auf Konzerten und beim Label erhältlich ist. Es war ursprünglich gar nicht zur Veröffentlichung vorgesehen. Eigentlich hatte Marc Muellbauer nur sein Aufnahmeequipment checken wollen, doch dabei kamen schöne Aufnahmen von den Konzerten der Band zustande. „Lisbeth Live“ blieb auch für die Entstehung des vierten Studioalbums nicht ohne Wirkung.

„Weil es zuletzt um etwas ohne große Grenzen gegangen war, etwas, das im Live-Moment entstand, hatte ich jetzt das Bedürfnis, mich stärker auf die Erarbeitung der Songs und Strukturen zu konzentrieren“, erklärt die Komponistin. „Wir haben viel ausprobiert, auf der Bühne vorweg und dann auch noch im Studio. Ich hatte große Lust, die übliche Arbeitsweise aufzubrechen und eine Art Bild zu malen mit unterschiedlichen Szenarien, die das Ohr erfrischen.“

Sie schrieb neue Stücke, entwarf Motive, arrangierte ein Thema für zwei Altsaxofone und lud dafür Christian Weidner ins Studio ein. Außerdem packte Greve zwei kurze, fragile Improvisationen mit dem Schlagzeuger Baumgärtner auf das Album,

„eine Sache, die ich mir erst wenige Tage vor dem Gang ins Studio überlegt hatte. Wir haben bestimmt zehn, zwölf Duos aufgenommen, auch mehrere komplette Stücke mit der Band, die dann nicht auf dem Album gelandet sind. Zum ersten Mal hatten wir die Wahl. Was sollte von den Aufnahmen auf das Album und was nicht. Das war wirklich schön, weil so nach dem Aufnahmeprozess noch ein weiterer Produktionsprozess auf uns zukam.“

Im Auftakt „5.3″ tritt titelgerecht eine Dreiergruppe gegen eine Fünfergruppe an und sorgt für lebhafte Spannung, kraftvoll und forsch wirkt das kurze „Daily Task“, das achtminütige filigrane „Piece“ wartet mittendrin mit einer Überraschung auf. Von einer Akkordstruktur mit zwei Dreiklängen geprägt, klingt „We Alter And Repair“ wie ein impressionistischer Bilderbogen, wohingegen „Shirley“ mit seiner hypnotischen Bassfigur und den bluesig betupften Pianoriffs etwas Beschwörendes hat.

„Das Stück ist wie ein Space; es geht ja nirgendwohin, es ist einfach da. Es war gar nicht so einfach, das zu akzeptieren. Oft will man ja noch einen Höhepunkt geben, dann muss es wieder abschwellen, aber hier sind wir zu der Lösung gekommen: ‚Shirley‘ will einfach in dieser Stimmung bleiben. Es ist wie ein Raum, der einfach da ist.“

So unterschiedlich die Kompositionen des Albums auch angelegt sind, sie strahlen eine Gelassenheit und Souveränität aus, die nicht von ungefähr kommen. Sie klingen sicher, autark und zuversichtlich. Charlotte Greve weiß, wo der Grund liegt:

„Wir sind die Klammer. Was ich so besonders finde an dieser Band, ist, dass sie zusammengeblieben ist über die ganze Zeit und dass wir in dieser Vertrautheit immer noch das Gefühl haben, etwas Neues oder auch Tieferes zusammen zu entdecken.“

Text
Uli Lemke
Foto
Annika Nagel

Veröffentlicht am unter 121, Feature, Heft

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