Heiner Schmitz

Rote Möbel in der blauen Datsche

Das Cover soll einen Blick in die Vergangenheit öffnen. In die Jahre des Wirtschaftswunders, für die repräsentativ rote Polstermöbel, ein alter Röhrenfernseher, ein Gummibaum und eine Katzenuhr stehen. Aber die Musik wirkt nicht gestrig. Eher karg und überschaubar.

Heiner Schmitz – Heimatstücke (Cover)

„Blaue Datsche“ heißt der Opener des aktuellen Albums des Kölner Saxofonisten Heiner Schmitz, dessen Titel „Heimatstücke“ (JazzSick/The Orchard) eine mitunter auch trügerische Richtung vorgibt. Schmitz versucht mit einfachen Mitteln, in einem Ozean der Orientierungslosigkeit zu sich selbst zu finden. Dazu benutzt er elf angstbefreite Rückgriffe auf die eigene Kindheit und lässt die Songs einfach passieren, so als wären sie von selbst aus ihm herausgeflossen. Womit der Saxofonist auch ein Wagnis eingeht. Denn alles, was heute „Heimat“ im Namen trägt, muss sich reflexartig des Verdachts ideologischer oder nationaler Tendenzen erwehren. Dabei beschreiben die Heimatstücke eher eine brennende Sehnsucht, die Unbeschwertheit früherer Tage zurückzuholen.

Heiner Schmitz

„Als Kind konnte man befreit von kapitalistischen Zwängen und Leistungsdruck existieren“, stellt Heiner Schmitz aus der Perspektive des 44-Jährigen fest. „Heute versuchen wir unseren Kindern in den Ferien ein Super-Action-Programm zu bieten. Früher wurde man einfach für mehrere Wochen bei Oma abgeladen. Andererseits bringt es nichts, ständig nur zurückzublicken. Meine Philosophie bestand immer darin, die Vergangenheit mitzunehmen und mir Gedanken zu machen, wie ich es in der Zukunft besser machen kann. Was kommt als nächstes?“

Gute Frage. Vielleicht einige Konzerte, in denen er mit Schlagzeuger Ralf Gessler, Gitarrist Martin Schulte, Pianist Simon Seidl und Bassist Matthias Nowak Stücke spielt, die Namen wie „Pilzernte“, „Für Sabine“, „Sonnabend“ oder „Traumwanderung“ tragen, die für Namen, Begegnungen und Erinnerungen stehen, in denen aber auch die Sorge um die Zukunft in „Zeitenwende“ oder „Tatendurst“ zum Ausdruck kommt. Dass alles leicht und optimistisch daherkommt, ist das eigentlich Bemerkenswerte an dieser optimistischen, erfrischend unsentimentalen Innenschau. Eine ehrliche Quersumme eines gelebten und imaginierten Lebens.

Text
Reinhard Köchl

Veröffentlicht am unter 150, Feature, Heft

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