Hazmat Modine

World Music oder was?

Hazmat Modine sind Weltreisende in Sachen populärer Musik und mögen so gar nicht in ein Schema passen. Ihr neues Album „Box Of Breath“ war kaum fertig, schon befanden sie sich wieder auf ausgedehnter Tournee um den Globus. In der Hamburger Fabrik nahm sich Bandleader Wade Schuman Zeit, die Vergangenheit zu resümieren, darüber zu erzählen, was ihn gerade antreibt, und einen Blick in den Alltag seines umtriebigen Kollektivs zu werfen.

Hazmat Modine

Die Welt von Hazmat Modine ist bunt, überraschend und unkonventionell. Live-Konzerte sind essenzieller Bestandteil ihrer Philosophie.

„Wenn wir unterwegs sind, ist alles sehr intensiv, wir haben fast keinen Tag Pause. Das ist unser Job. In einer Zeit, in der die Musikindustrie in sich zusammenschrumpft, wird es für alle enger. Es gibt so viele Musiker, die nichts mit ihrer Musik verdienen. Das gesunde Mittelfeld verschwindet zusehends, das Album als künstlerisches Statement hat kaum noch eine Bedeutung. Für mich fühlt es sich an wie an einer Salatbar. Man nimmt ein Stück hiervon, ein Stück davon. So gesehen hat sich die Art, wie man Musik erlebt, heutzutage vollkommen geändert. Alles im digitalen Zeitalter ist in Einzelteile zerlegt.“

Die Alben von Hazmat Modine jedoch klingen anders. Sie erzählen Geschichten, haben einen roten Faden. Planen Schuman und sein Songwriting-Partner Erik Della Penna einen bewussten Gegenentwurf zum aktuellen Mainstream?

„Nein, uns gibt es seit 20 Jahren. Wir haben uns aber immer wieder verändert. Anfangs hielten wir uns viel näher an bestimmte Genres, spielten zahlreiche Cover-Versionen. Heute nehmen wir ausschließlich Originale auf und sehen uns als eine Art Gesamtkunstwerk.“

Auffallend ist der Einsatz ungewöhnlicher Instrumente. Hazmat Modine haben damit einen dynamischen Sound irgendwo zwischen Folk, Roots, Afro, Blues, Psychedelic und Funk perfektioniert:

„Ja, Joe Daley und sein Sousafon sind von Anfang an dabei. Ich fand immer, dass es in der Musik total unterrepräsentiert ist. Meine Lautengitarre stammt ursprünglich aus dem 19. Jahrhundert und wurde erstmals in Deutschland gespielt. Ich lasse mich einfach von verschiedenen Klängen beeinflussen. Ich spiele außerdem Resonatorgitarre, Mundharmonika sowie Blechflöte. Dazu nehme ich ein billiges Karaokemikrofon, das diesen echt abgefahrenen Sound produziert. Ich interessiere mich für Strukturen. Ich verstehe nicht, warum die meisten Musiker so konservativ sind. Ich bin sozusagen musikalisch ‚polyamorös‘. Ich liebe einfach viele unterschiedliche Klänge und fühle, dass alles irgendwie miteinander verknüpft ist.“

Wer diese offensive Kreativität in seine Musik steckt, möchte auch eine Botschaft transportieren. Sind Hazmat Modine womöglich eine politische Band, „Box Of Breath“ (JARO Medien) ein politisches Album? Schuman hält sich zurück:

„In Amerika leben wir heute in einem merkwürdigen Zeitalter des Schuldkomplexes. Die Leute sorgen sich um ihren Platz in der Gesellschaft. Davon erzählt das Album, aber nicht auf eine politische Art und Weise. Wir reflektieren einfach den Ort und die Zeit, in denen wir leben. ‚So Far So Good‘, ein ganz neuer Titel in unserem Live-Set, ist dagegen konkret politisch. Du kannst nicht ignorieren, was heutzutage bei uns los ist. Es gärt so vieles und es braucht nur einen kleinen ‚Schmock‘, der es an die Oberfläche bringt und damit sein Schindluder treibt.“

Werden Hazmat Modine zunächst gerne ins Weltmusik-Regal gestellt, ist das urbane Element jedoch allein schon der Stilvielfalt wegen nicht zu überhören. Vielleicht auch weil die Band im Schmelztiegel New York verortet ist:

„Ich lebe in Harlem, Erik lebt in der Upper West Side. Normalerweise treffen wir uns ein- bis zweimal in der Woche und arbeiten konzentriert“, erläutert Schuman. „Wir gehen das Komponieren als einen kreativen Job an, statt auf Inspiration zu warten. In Europa sagt man gerne, dass wir ‚World Music‘ machen. Ich selbst sehe mich als Folkmusiker, denn ich habe mir alles selbst beigebracht. Ich kann keine Noten lesen und ich lasse mich von meinem Instinkt leiten. Wir machen amerikanische Musik, die Musik der Immigranten. Es ist ausschließlich Musik von Menschen, die von anderen Orten kommen.“

Also eigentlich doch wieder: Weltmusik? Schuman lacht und bringt es auf den Punkt:

„Auf eine Art machen wir also ‚true world music‘, denn sie kommt von überall auf der Welt.“

Text
Helmut Heuer

Veröffentlicht am unter 125, Feature, Heft

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