Aufgewachsen ist Pat Thomas mit allen pianistischen Einflüssen, und das Booklet für sein Soloalbum „Hikmah“ nennt exemplarisch dafür ausgerechnet Liberace und Oscar Peterson. Eine bewusste Irreführung? Denn für den Engländer wäre eigentlich Matthew Shipp der passendere Pate gewesen. Wie er folgt Thomas ganz seiner Intuition, benützt den Flügel nicht nur als Instrument, bei dem es ausschließlich darum geht, Tasten und Pedale zu drücken. Er bearbeitet ihn mit Händen, Füßen und Körper, ist auf und im Klavier, manchmal nutzt er zusätzlich auch Elektronik. Es raschelt, schrappt und rauscht wie in „For Carolyn L. Karcher“, einem suchenden Porträt der amerikanischen Schriftstellerin. Oder bei „For McCoy Tyner“, einer völlig freien Huldigung seines Idols fernab jeglicher Imitation, die zeitweilig überhaupt nicht wie ein Musikstück, sondern eher wie ein Hörspiel aus einer Werkstatt klingt. Das Piano ist für den 65-Jährigen längst kein Musikinstrument mehr, sondern ein Pinsel, der Gedichte malt. Man würde ihm am liebsten dabei zusehen, wie er schwitzt, rumort, macht und tut. Für den bloßen audiophilen Genuss ist das alles doch ziemlich sperrige Kost.
Text
Reinhard Köchl
Ausgabe
, Jazz thing 161
Veröffentlicht am 24. Nov 2025 um 07:57 Uhr unter Reviews
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