Gestorben: Elza Soares

Elza SoaresElza SoaresWenn es um den Samba der Neuzeit geht, war sie seine bekannteste Kultfigur. Seit Anfang der 1960er dominierte Elza Soares das Genre mit ihren exzentrischen Auftritten und ihrer unvergleichlich grollenden Stimme auf rund drei Dutzend Alben. Am Donnerstag, 20. Januar, ist sie im Alter von 91 Jahren gestorben. Wie so viele der großen brasilianischen Musiker wächst Soares in Armut auf, in Rios Favela Moça Bonita. Mit zwölf zwingt man sie in eine von Gewalt bestimmte Ehe, sie gebiert fünf Kinder, zwei davon sterben den Hungertod. Mit 16 gewinnt sie einen Gesangswettbewerb des Komponisten Ary Barroso, der den Welthit „Aquarelas Do Brasil“ geschrieben hat. Schlager und Musicals bestimmen ihre 1950er, der Durchbruch gelingt ihr, als Plattenchef Aloysio De Oliveira sie für Odeon unter Vertrag nimmt.

1961 stellt sie ihren frühen Meilenstein „A Bossa Negra“ vor, singt im Jahr darauf anlässlich der Fußball-WM in Chile an der Seite von Louis Armstrong. Eine folgenschwere Reise, denn dort lernt sie den Ballkünstler Garrincha kennen, neben Pele Brasiliens berühmtester Fußballer des 20. Jahrhunderts. Mit ihm wird sie eine turbulente Ehe führen. Während die Bossa Nova ab Mitte der 1960er auf dem Rückzug ist, fahren die Brasilianer auf Soares‘ freche Samba-Platten ab, besonders ihre Duette mit Miltinho werden in den späten 1960ern Hits. Die ersten Machthaber der Militärdiktatur (1964-1985) allerdings haben sie auf der schwarzen Liste, denn vor dem Putsch hatte sie Wahlwerbung für den linken Präsidenten Goulart gemacht. Das Militär schreckt auch nicht vor einem Beschuss ihres Hauses zurück, woraufhin sie ins Exil nach Rom geht.

Nach ihrer Rückkehr nach Rio öffnet Soares dem Samba nach und nach immer weitere Türen, kombiniert ihn auf ihren Alben der frühen 1970er mit Jazz, Funk und Soul. Das Werk „Elza Pede Passagem“ wird im Idiom dieses Samba-Funk-Stils wegweisend für viele Kollegen. In den Folgejahren zeichnen sie Alkoholismus und der Verlust ihrer Popularität, doch in den 1980ern sorgen eigene TV-Shows für neue Präsenz.

Musikalisch macht sie dann erst wieder zur Jahrtausendwende von sich reden: Mit der Scheibe „Do Cóccix Até O Pescoço“ schafft sie den Anschluss an eine neue Hörergeneration, die Weltmusikfreaks. Trotz gesundheitlicher Probleme zeigte sich die vielfach Geliftete auch in den letzten Jahren noch als Unverwüstliche: Auf „A Mulher Do Fim Do Mundo“ schreitet sie tief ins Reich experimenteller HipHop-Klänge hinein, die engagierte Texte über Transsexualität und häusliche Gewalt transportieren. Einen ähnlichen Sound behält sie auch auf ihren beiden letzten Werken bei, „Deus É Mulher“ („Gott ist eine Frau“) und „Planeta Fome“. Der „Hungerplanet“ ist eine Anspielung auf ihre Herkunft aus der Favela. Von dort ist sie bis zur „brasilianischen Stimme des Millenniums“ aufgestiegen – eine Stimme, die bis zum Ende nicht verstummte, auch wenn sie schon arg ramponiert war. Mit Soares verliert Brasilien die letzte große Diva des Sambas. Text Stefan Franzen

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Stefan Franzen
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CC BY 2.0/Ministério da Cultura

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