RIP: Sheila Jordan
Sheila JordanDer Kontrabass war das Instrument ihrer Wahl. Nicht, dass Sheila Jordan den Bass selbst spielte. Aber die Sängerin erkannte schon früh in ihrer Karriere, dass dieses Instrument alleine mit ihr ihre Stimme am besten zur Geltung brachte, weil der sonore Sound vom Bass ihr mädchenhaftes Timbre am Effektvollsten zu grundieren wusste. Nur vom Bass begleitet, konnte sie sich, ohne harmonisch an die Leine gelegt zu sein, weit im akustischen Raum ausbreiten. Auch traten dann gesangliche Merkmale wie das Stauchen und Dehnen der Tonhöhen deutlicher als im Kontext mit einem Quartett oder Quintett hervor. „Ich hatte schon früh die Idee gehabt, nur mit einem Bassisten aufzutreten“, erzählte die Sängerin dem Autor und Fotografen Arne Reimer, als dieser sie für die Jazz-thing-Artikelreihe und das Buch „American Jazz Heroes“ sprach. „Im Page Three hatte ich mit Steve Swallow im Duett gespielt und es funktionierte gut. Es gab meiner Stimme viel mehr Freiheit und ich glaube, sie klang dann auch anders.“
Jordan wurde 1928 als Sheila Jeannette Dawson in Detroit geboren. Ihre Mutter war da gerade 17 Jahre alt, weshalb sie bei den Großeltern in Pennsylvania aufwuchs. Bereits als Schülerin entdeckte sie den Bebop dieser Zeit. „Ich habe mir Platten von Charlie Parker gekauft, die ich so oft gehört habe, bis sie weiß wurden“, erinnerte sie sich. „Nur nach Gehör habe ich Phrasierung und Timing von Instrumentalisten gelernt und meinen eigenen Sound entwickelt. Mir war schon früh klar, dass ich nie wie die großen Sängerinnen klingen würde. Ich wollte auch keine Imitation von Billie, Ella oder Sarah sein. Deshalb arbeitete ich hart an einem eigenen Sound.“ Kurz darauf sang sie in ihrer Geburtsstadt Detroit im Vokaltrio Skeeter, Mitch & Jean, das die Vocalese von Lambert, Hendricks & Ross vorwegnahm. Parker hörte davon und holte das Trio bei einem seiner Konzerte in Detroit für ein Stück mit auf die Bühne – und war von der jungen Sheila begeistert, weil sie nur nach Gehör sang.
Anfang der 1950er zog Jordan nach New York, wo Lennie Tristano ihr Lehrer wurde. Dort traf sie auch Parker wieder und heiratete 1952 dessen Pianisten Duke Jordan. Dessen Drogenprobleme überschatteten aber die Ehe, und er verließ die Familie kurz nach der Geburt der Tochter Tracey 1955. Für die Karriere von Sheila Jordan hatte das weitreichende Folgen: Als alleinerziehende Mutter musste sie tagsüber als Sekretärin in einer Werbeagentur ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Tochter verdienen. Dennoch sang sie zwei Mal wöchentlich im New Yorker Club Page Three.
Auf Empfehlung des Komponisten George Russell erschien ihr Debütalbum „Portrait Of Sheila“ 1963 auf dem damals schon legendären Blue Note Records, doch den Nachfolger „Confirmation“ konnte sie erst 1975 veröffentlichen. Obwohl Jordan noch bis 1987 weiter als Sekretärin arbeitete, intensivierte sie von da an ihre Gesangskarriere. So brachte sie zum Beispiel 1977 mit dem Norweger Arild Anderson ihr erstes Stimme-Bass-Duett-Album „Sheila“ heraus, arbeitete häufig im Trio mit dem Pianisten Steve Kuhn und trat immer wieder im Duo mit verschiedenen Bassisten auf – beispielsweise mit Harvie S. oder zuletzt mit Cameron Brown. Und sie begann nicht nur in ihrer Heimat USA erfolgreich zu unterrichten, sondern auch in Europa: ab 1985 am Institut Jazz der Kunst Uni Graz.
Um die Pflegekosten für ihre Mutter bezahlen zu können, startete Jordans Tochter Tracey noch Anfang August eine Crowdfunding-Kampagne. Am 11. August schrieb sie dann: „Meine geliebte Mutter Sheila Jordan ist heute Nachmittag um 15:50 Uhr friedlich verstorben. Ihre Freundin Joan Belgrave spielte ihr einen Bebop-Song namens ,Bill For Bennie‘ ihres Ehemanns Marcus Belgrave vor. Meine Mutter schlief beim Hören der Musik ein, die sie liebte und zeitlebens mitgeprägt hat.“
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