Seit 20 Jahren lebt der Bläser und Schriftsteller Gilad Atzmon nun in London, doch auf seiner musikalischen Reise durch neun Metropolen bleibt der Wahlwohnsitz außen vor. Da mag ein kritischer Unterton mitschwingen, solches suchen die Kritiker ja selbst da bei Atzmon, wo in seiner Musik keine politische Aussage zu finden ist. Doch das wär’s dann auch diesmal schon. Selbst aggressive Brüche oder bissige Riffs und Soli sind Mangelware. Romantisch und lyrisch wirken einige seiner nahezu balladesken Widmungen, sogar mit Klischees spielt Atzmon bewusst: am schönsten die kleine Akkordeoneinlage in Sachen Paris, der Hauch Tristesse bei Buenos Aires und die unbefangene Leichtigkeit beim Streifzug des Quartetts durch Wien. Als einzige englische Stadt taucht Scarborough auf, ausdrücklich „as opposed to London“, natürlich im Kostüm des berühmten Volksliedes. Wieso das Thema Berlin ins Schunkeln ausufert und die Band dafür die Aufforderung ans Publikum ins Mikro singt „alle zusammen“ und die Stadt Tel Aviv den Frontmann zu dem einzigen richtig expressiven, sirenenhaften Solo veranlasst, das mag man sich denken.
Text
Uli Lemke
Ausgabe
, Jazz thing 98
Veröffentlicht am 02. Apr 2013 um 10:01 Uhr unter Reviews
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