Alexej Malakhau

Intimes Ventil

Der Kölner Saxofonist Alexej Malakhau hat sich für sein Debüt „Leiblich“ (Double Moon/in-akustik) in der „Jazz thing Next Generation“-Reihe ein feines Quintett aus der Kölner Szene zusammengestellt. Seine weißrussischen Wurzeln lassen sich aber genauso wenig verleugnen wie sein tiefes Gespür für Melancholie.

Alexej Malakhau – Leiblich (Cover)

„Das Saxofon war für mich die Befreiung von der klassischen Musik“, erzählt Alexej Malakhau, der als Kind zunächst Klavier gespielt hat, „da ich in einer Musikerfamilie aufgewachsen bin. Meine Mutter ist Pianistin, mein leiblicher Vater war Gitarrist. Für uns war die Musik auch ein Ticket in ein besseres Leben.“

Der Gegensatz von Klassik und Jazz war für Malakhau aber nicht fundamental, er hat auch gerne Klavier gespielt – der Unterschied ist für ihn subtiler: „Akademische Musik finde ich unpersönlicher“, sagt er, „deshalb war ich froh, als ich mit elf Jahren das Saxofon für mich entdeckt habe – ich will da gar nicht die Phrase ‚Freiheit‘ bemühen.“

Die Zuwendung zu dem Instrument, mit dem er sich nun schon seit Jahren auf der deutschen Jazzszene tummelt – Malakhau hat bereits mit Musikern wie John Taylor, Hiram Bullock und Kenny Wheeler, aber auch mit BAP und Brings gespielt –, erfolgte nicht nach den Regeln, die man vermuten würde.

„Als meine Mutter das zweite Mal geheiratet hat, sind wir nach Minsk, in die weißrussische Hauptstadt, gezogen“, erzählt der Saxofonist. „In der dortigen Musikschule hat mir die Saxofonlehrerin am besten gefallen, deshalb habe ich mich für das Saxofon entschieden. Es ging in erster Linie um die Person, nicht um das Instrument. Das war eine coole Frau. Sie hat geraucht und im Slang der Jazzmusiker gesprochen. Seitdem spiele ich Saxofon.“

Die Konzentration auf den Jazz, der in Weißrussland eine ganz andere Ausstrahlung hat als bei uns, begann dann als Teenager.

„Jazz in der Form, wie ich ihn heute kenne, gab es in Weißrussland gar nicht“, stellt Malakhau klar. „Es gab aber Platten und Bücher, an denen ich mich orientiert habe. Dadurch, dass das alles so schwer zu finden war, war auch der Reiz der Musik viel größer. Es gab vielleicht einen Typen in Minsk – das ist jetzt nicht buchstäblich zu verstehen –, der das ‚Real Book‘ hatte, und von dem hat sich jeder Kopien gemacht. Da ich aus einer Musikerfamilie komme, kannte ich mich aber auch auf dem Schwarzmarkt aus und wusste, wie man an bestimmte Aufnahmen kommt.“

Alexej Malakhau

Nach einem Musikstudium in Minsk zog es Alexej Malakhau schließlich 2003 nach Köln, wo er an der Musikhochschule bei Wolfgang Engstfeld studiert hat. Er ist tief in die Szene eingetaucht, folglich ist „Leiblich“ auch nicht das Statement eines schüchternen Newcomers, sondern das eines gestandenen Musikers. Die Country-Einflüsse auf Songs wie „Lela“ oder den Beatles-Klassiker „Julia“ überraschen dann aber doch – was macht denn seine Musik aus?

„Da spielen auch Country-Einflüsse eine Rolle“, bestätigt der Saxofonist. „Ich orientiere mich aber weniger an einer Stilistik, sondern lasse alles zu, was in meine Musik drängt. Jazz ist für mich mehr ein Dialekt als eine Musikrichtung. Letztendlich bin ich ein Produkt meiner Einflüsse.“

Auf dem Album ist Malakhau zusammen mit den Pianisten Rainer Böhm und Kristjan Randalu, dem Gitarristen Vitaliy Zolotov, dem Bassisten Joscha Oetz und dem Schlagzeuger Bodek Janke zu hören – es treffen also gleich zwei Harmonieinstrumente aufeinander.

„Bei der Zusammenstellung der Band habe ich mich weniger von einem instrumentalen Konzept leiten lassen, sondern mehr von der Energie der Musiker“, erzählt Malakhau. „Bodek und Vitaliy sind langjährige Freunde, und uns verbindet ganz viel. Auch Joscha, Rainer und Kristjan sind liebevolle und achtsame Menschen, und ich glaube, die braucht man, um meine Musik spielen zu können.“

Eine schöne Ballade hat bei Malakhau den Titel „Zeitgefangener“, und auch der Albumtitel ist ihm sehr wichtig, weil er für ihn eine fundamentale Bedeutung hat.

„Ich habe keine Vorstellung davon, was der Hörer sich unter dem Begriff ‚leiblich‘ vorstellt“, führt er zunächst aus. „Für mich geht es dabei um eine tiefe Verbundenheit, es ist ein sehr intimer Begriff, und er bedeutet mehr als der Ausdruck ‚leiblicher Vater‘. Alle Lieder auf dieser Platte bilden wichtige Ereignisse in meinem Leben ab. Da steckt viel Melancholie drin, was ich manchmal sehr romantisch finde, manchmal nervt es mich auch. Die Musik bildet eine weiche und sensible Seite von mir ab, die ich sonst nicht nach außen trage.“

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Text
Rolf Thomas

Veröffentlicht am unter 133, Heft, Next Generation

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