DJU-Brief: Kein ÖRR ohne Jazz!

Dabei gehen die Pläne der ARD-Intendanzen weit über eine normale Programmreform hinaus. Mantra-artig hat man immer wieder betont, wie sehr die ARD zukünftig noch mehr sparen müsse. Deshalb denke man über Synergien nach. Diese Synergien sehen nach den Vorstellungen der ARD unter anderem so aus, dass man bei den Kulturradios und den Infowellen die Abendstrecken zusammenlegen will. „Das Gemeinschaftsprogramm werde ab 20 Uhr je nach Wochentag thematisch wechselnd der Norddeutsche Rundfunk maßgeblich gestalten – unterstützt von den Häusern Rundfunk Berlin-Brandenburg, Bayerischer Rundfunk und Mitteldeutscher Rundfunk, sagte NDR-Intendant Joachim Knuth am Freitag zur Rundfunkratssitzung. Die Themen, die man am Abend setzen wolle, kreisen um Dialog, Information und Sport“, hieß es am 1. Juli im Spiegel über den Umbau der Infowellen.
Ähnliches hat man mit den ARD-Kulturradios vor, wie die Kulturchefin vom NDR, Anja Würzberg, im best-schönsten Marketingsprech erläutert: „NDR Kultur möchte sich gerne in diesen Reformprozess reinstellen, und wir wollen für Sie ein noch besseres Programm herstellen als das, was Sie sowieso schon von uns gewöhnt sind. Das heißt konkret, dass wir gerne dafür sorgen wollen, dass die kulturjournalistische Berichterstattung, die wir Ihnen jeden Tag zur Verfügung stellen, nicht nur aus dem Gebiet Norddeutschland kommt, sondern dass wir Sie besonders am Abend mit den Highlights aus ganz Deutschland versorgen. Wir sind regional, wollen regional bleiben, wir legen einen großen Schwerpunkt auf die regionale Kulturberichterstattung, vor allem zwischen 8 und 20 Uhr – und danach kriegen Sie die Highlights aus der ganzen ARD von uns: Das Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit Sir Simon Rattle oder die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen aus der Elbphilharmonie – auf jeden Fall bekommen Sie von uns das Beste von allem.“
Natürlich wird von diesem Umbau der ARD-Kulturwellen auch der Jazz betroffen sein, der nahezu ausschließlich in den Stunden zwischen 20 Uhr und Mitternacht im Programm zu finden ist. Von wenigen Kompetenzzentren ist die Rede, von denen aus die ARD dann mit Jazz und improvisierter Musik versorgt werden soll. Im Gespräch dafür sind der NDR, der WDR und der BR. Außerdem wird gemunkelt, dass man den Jazz ins Digitale verschieben möchte – angeblich würden gerade erste Konzepte dafür geschrieben. Ob das auch über die Jazz-Kompetenzzentren abgewickelt werden soll oder nicht, darüber ist bislang nichts bekannt. Dass man das vermuten muss, zeigt die Situation in Berlin, wo rbb-Kultur nach der Verrentung des Jazzredakteurs Ulf Drechsel dessen Stelle nicht mehr neu besetzen will; ein Armutszeugnis für den Hauptstadtsender, der eigentlich für die Berichterstattung der auch und gerade international so sehr wahrgenommenen Szene aktueller, improvisierter Musik aus Berlin verantwortlich ist.

Ansonsten ist es recht ruhig, was diese Umbaupläne der Kulturradios durch die ARD betrifft. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, hat sich mit einem Artikel in der Neuen Musikzeitung recht freundlich zu Wort gemeldet: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat, das ist mein bitteres Fazit, in den letzten Jahren fast alle seine Freunde vergrault. Der Kulturbereich gehört noch zu den letzten guten Freunden, die bei aller deutlicher Kritik im Einzelfall immer für das System als solches eintreten. Aber diese Freundschaft wird durch das Verhalten von Intendantinnen und Intendanten gerade auf eine harte Probe gestellt.“ Die politische Allzweckwaffe in Fragen von Kultur im Hörfunk, der mittlerweile fast 91-jährige Gerhard Baum von der FDP, hat indes die Pläne der ARD scharf kritisiert. Aber ob es Widerstand durch die Kulturredakteur/-innen in den ARD-Anstalten gibt, wie sich die Landesmusikräte und der Deutsche Musikrat offiziell dazu stellen oder ob die Politik in Bund und Ländern Position bezieht, darüber ist bislang wenig bis gar nichts zu hören und zu lesen gewesen. Vielleicht ist man auch einfach schon zu sehr abgestumpft durch die vielen Skandale und Skandälchen der ARD in letzter Zeit.
So begrüßenswert die Initiative der DJU mit ihrem offenen Brief auch ist, so sehr wundert man sich, warum sich die Musiker/-innen hierzulande nicht auf ihr eigentliches Metier berufen und einfach mal ordentlich laut Lärm und Rabatz machen. Es wäre ein Einfaches, dass sich Jazzer/-innen mit ihren Instrumenten vor die ARD-Funkhäuser stellen würden, um zum Beispiel ab 10 Uhr vormittags, wenn dort in der Regel die Redaktionskonferenzen angesetzt sind, weit hör- und sichtbar modernen Jazz und zeitgenössische, improvisierte Musik zu spielen. Mit dieser gleichermaßen humorigen wie subversiven Aktion hätte man sicherlich viele Gebührenzahler/-innen auf seiner Seite – und somit auch etwas für die positive Wahrnehmung von Jazz und improvisierter Musik in der Gesellschaft getan.
Weiterführende Links
„Kein öffentlich-rechtlicher Rundfunk ohne Jazz!“






