Buch: Free Music Production (FMP) Revisited

Free Music Production (FMP) Revisited„Free Music Production (FMP) Revisited“1969 gründeten die Musiker Peter Brötzmann, Peter Kowald und Alexander von Schlippenbach mit dem Sympathisanten Jost Gebers die Free Music Production (FMP). Nach der Ausrufung des Total Music Meetings als Gegenveranstaltung zu den Berliner Jazztagen 1968 war dies der zweite große Schritt im Bestreben einer Gruppe frei improvisierender Musiker, gewissermaßen die Produktionsmittel in die eigenen Hände zu nehmen. Die folgende Zeit, in der FMP einen Wandel vom Kollektiv- zum „normalen“ Independent-Label durchmachte, unter Gebers’ alleiniger Leitung seine „goldenen“ (von Cecils Taylors einjährigem Aufenthalt in West-Berlin gekrönten) Jahre erlebte und schließlich den Weg alles Irdischen ging, gebar unzählige Legenden, die von Backstage zu Backstage weitergegeben wurden.

Mit Thomas Hartmanns Buch „Free Music Production (FMP) Revisited“ erscheint eine umfassende Dokumentation des Labels in Buchform. Seine Dissertation an der kulturwissenschaftlichen Fakultät des Instituts für Musik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg widmet sich auf 560 Seiten einer ausführlichen, wissenschaftlichen Aufarbeitung der Entstehung und Entwicklung dieses bemerkenswert langlebigen und einflussreichen Versuchs, Konzerte und Produktionen im Sinne der Künstlerinnen und Künstler durchzuführen. Methodisch folgt Hartmann dabei dem Imperativ des französischen Soziologen Bruno Latour, „Folge den Akteuren!“, und der so genannten „reflexiv-kontextuellen Oral History“.

Zu den wesentlichen Quellen seiner Arbeit zählen die Interviews, die er dafür mit Dagmar Gebers, Dieter „The Cock“ Hahne, Manfred Schoof und von Schlippenbach sowie zu Lebzeiten noch mit Gebers und Brötzmann führte. Schwerpunkte liegen auf den Komplexitäten der kollektiven Selbstverwaltung, den Freuden und Kümmernissen des DIY und auf der internationalen Vernetzung, auch mit der Szene in der DDR. Zur historischen Einordnung gehören Vergleiche mit strukturellen Vorläufern und Verwandten wie der amerikanischen Jazz Artists Guild oder dem Globe Unity Orchestra. Es bleibt also kein Aspekt der wendungsreichen Labelgeschichte ausgespart, was die Lektüre auch für nicht-akademische Fans interessant macht. Für künftige Forschende zum Thema Free Jazz wird Hartmanns Arbeit eine Referenz sein, an der kein Weg vorbeiführt. „Free Music Production (FMP) Revisited“ ist im Wolke Verlag erschienen, hat 560 Seiten und kostet 48 Euro.

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„Free Music Production (FMP) Revisited“

Text
Eric Mandel

Veröffentlicht am unter News

Stop Over 4 – Perspectives